Wülfrath So ein Auto kann alles - auch umkippen

Wülfrath · Den Abgrund vor Augen hat unsere Reporterin beim Fahrtraining im Landrover Experience Center.

 Sieht steil aus, ist auch steil, und nur bremsen alleine hilft nicht, auch die Motorbremse kommt zum Einsatz. Nur die Kupplung treten, das sollte man am Abhang irgendwie vermeiden.

Sieht steil aus, ist auch steil, und nur bremsen alleine hilft nicht, auch die Motorbremse kommt zum Einsatz. Nur die Kupplung treten, das sollte man am Abhang irgendwie vermeiden.

Foto: Mikko Schümmelfeder

110 Prozent Gefälle? Das geht gar nicht! Den Abgrund vor Augen, hat man eigentlich nur einen Gedanken: Wie konnte man bloß auf die absurde Idee kommen, sich für ein Fahrtraining im Land Rover Experience Center anzumelden. Dabei hört sich "Level 1" doch nach etwas an, das man mit einem Führerschein in der Tasche und genug Fahrpraxis locker schaffen sollte. Wäre da nicht dieses bizarre Steinbruch-Ambiente.

 Vor Wasser braucht man im Defender keine Angst zu haben.

Vor Wasser braucht man im Defender keine Angst zu haben.

Foto: Mikko Schümmelfelder

Und dazu noch Steigungen, die man noch nicht mal auf vermeintlich sicheren Beinen hoch- und runterstiefeln würde. Um Himmelswillen, was für eine verrückte Aktion! Aussteigen wäre vielleicht ein guter Plan. Oder Dieter könnte runterfahren. Wir waren gleich schon beim "Du" und jetzt wäre es leicht zu sagen: "Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Bitte mach Du das für mich." Aber dann hätten wir direkt einpacken können. Das will niemand.

Deshalb stehen wir jetzt gemeinsam vor dem Abgrund. Dieter auf dem Beifahrersitz sagt, da passiert nichts. Gang einlegen, Fuß von der Bremse, "und bloß nicht auf die Kupplung treten, dann rauschen wir hier runter", sagt Dieter, der mit Nachnamen Neldner heißt und seit 40 Jahren für Land Rover bei den Experience-Touren mitfährt. Hier beim Fahrtraining ist er der Instruktor und wenn er etwas sagt, dann darf man das glauben. Also noch ein letzter Blick nach unten - und dann ist alles zu spät. Halb zog es ihn, halb sank er hin. Wie auch immer, das Auto ist unten. Motorbremse, ruckeln, rutschen: Egal wie, es ist vorbei. Spätestens jetzt wird auch klar, warum Dieter bei der Begrüßung wissen wollte, ob man vor dem Start noch mal zur Toilette wolle. "Die meisten wissen nicht, was auf sie zukommt", erzählt Dieter. Da gebe es Frauen, die einen Gutschein fürs Fahrtraining zum Geburtstag bekommen haben. Die Angst sei anfangs eine zuverlässige Begleiterin - und dann, irgendwann, ist sie plötzlich weg. "Oft sind Frauen sogar die besseren Fahrer", weiß Dieter.

Erzählt er die gleiche Geschichte mit einem Mann auf dem Fahrersitz, dann geht die so: Der Typ kommt voller Tatendrang zur Türe rein und braucht ein echtes Abenteuer. Wäre doch gelacht, wenn man das hier nicht mal eben abreißen könnte. Bis Mann dann endlich im Auto sitzt. Schon nach den ersten Metern wird klar: So läuft das hier nicht. Stattdessen wird im Schritttempo gefahren. Und irgendwie ist Mann dann wohl auch ganz froh, dass sich das alles nur im ersten und zweiten Gang abspielt.

An diesem Herbsttag rumpeln wir über Schotterpisten. Bergauf und bergab: So geht das nun schon seit 20 Jahren. Damals hatte Land Rover das Gelände von Rheinkalk gepachtet und nach ein paar Debatten mit Umweltschutzbehörden waren die bürokratischen Hürden aus dem Weg geräumt. Stattdessen wurden Hindernisse aufgebaut, Pisten präpariert und Wasserlöcher angelegt. Ach ja, dann ist da auch noch diese extreme Schräglage.

Inzwischen sind wir vom Defender auf den Discovery umgestiegen und der bleibt während der Fahrt plötzlich stehen. In Schräglage, wohlgemerkt. Schaut man als Beifahrer aus dem Fenster, wird einem warm ums Herz. Dieser Ausblick in den Wassertümpel direkt vor Augen, man wird irgendwohin gedrückt - es fehlt nicht viel und das 2200 Kilo-Gefährt kippt zur Seite. Tut es aber nicht, da ist sich Dieter sicher. Und er sollte mal wieder Recht behalten.

"Wir entschleunigen die Leute hier", erzählt er. Und man weiß gleich, was er damit meint. Wer will schon mit einem geplatzten Reifen festhängen, weil ein scharfkantiger Stein im Weg lag. Oder mit durchdrehenden Rädern im Sandberg stecken bleiben. Von Dieter ist an diesem Tag immer wieder zu hören: "Ein guter Off-Road-Fahrer schaltet sein Hirn ein". Was soviel heißt wie: Man muss die Strecke lesen können und bei Hindernissen nicht drauflos fahren, ohne vorher auszusteigen um die Lage zu checken.

Dazu gehört auch, nicht einfach rücksichtslos durch die Natur zu brettern. Und dann sagt Dieter noch das hier: "Man sollte immer den Respekt behalten und demütig sein. So ein Auto kann fast alles - auch umkippen."

(magu)
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