Wülfrath Workshop mit Ideen gegen Kinderarmut

Wülfrath · Die Zahl der Kinder in prekären Verhältnissen nimmt in Wülfrath zu. Koch- und Nachhilfekurse sind geplant.

Bis zu 550 Kinder in Wülfrath leben unter der Armutsgrenze. Die Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Grund genug für das Frauennetzwerk und die Gleichstellungsbeauftragte Gudula Kohn, zu einem Workshop unter dem Titel "Kinderarmut in Wülfrath: Was können wir tun?" einzuladen. Es waren vor allem Frauen, haupt- oder ehrenamtlich tätig in Kitas und Grundschulen, die zusammen Vorschläge erarbeiteten, wie man das Problem an der Wurzel packen könnte.

Ebenfalls vor zehn Jahren wurde angesichts erschreckender Zahlen, die im Jugendhilfeausschuss vorgelegt wurden, die Initiative "Wülfrather Kinder in Not" ins Leben gerufen.

Zunächst ein Arbeitskreis unter der Leitung der Ausschussvorsitzenden Bettina Molitor, wurde die Initiative am 11. Juni 2005 vom DRK-Vorsitzenden Wolfgang Peetz offiziell gegründet. "Wülfrather Kinder in Not" bezahlt unter anderem Schul-Mittagessen für Kinder aus armen Familien, damit sie am Ganztags-Unterricht teilnehmen können. "Bildung ist die einzige Chance, aus dem Kreislauf der vererbten Armut auszubrechen", sagt Peetz.

Er legte noch weitere Zahlen vor. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland besitzen mehr 46 Prozent des Vermögens, die untere Hälfte weniger als vier. Etwa ein Viertel der Kinder lebt in einkommensarmen Familien, während der Anteil an Sozialhilfeempfängern in der Gesamtbevölkerung nur rund 14 Prozent beträgt. Bei den Alleinerziehenden leben sogar über 40 Prozent der Kinder unter der Armutsgrenze.

Armut ist immer relativ. In Deutschland muss theoretisch niemand vom Müll auf der Straße leben, kann aber trotzdem aus finanziellen Gründen von Dingen des täglichen Lebens ausgeschlossen sein. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnitteinkommens seines Landes zur Verfügung hat. Arm ist, wer weniger als 50 Prozent hat. Teilhabe heißt das Stichwort.

In Gruppen sollten die Teilnehmer brainstormen und ihre Vorschläge zu Papier bringen, was man ganz konkret in Wülfrath tun könne. Gleich mehrfach wurde die Idee der Kochkurse für Kinder und Eltern genannt. In armen Familien kenne man teilweise nur Pizza, Nudeln und Pommes, viele Kinder kämen ohne ein ordentliches Frühstück in die Schule.

Nachhilfe solle auch an weiterführenden Schulen kostenlos angeboten werden, zum Beispiel durch ältere Mitschüler. Kinder sollten etwa in Theater-AGs eingebunden werden, um Motivation und Teilhabe zu stärken. Dem Problem der Armutsdiskriminierung könnte man mit Schuluniformen begegnen. Vor allem aber waren sich alle einig, dass man Kindern mehr Zeit widmen müsse. Zeit zum Vorlesen, Zeit zum Zuhören.

Gudula Kohn hätte sich gewünscht, dass man sich auf eine Idee einigen möge, die sofort umgesetzt werden soll. Doch die Teilnehmer wollten die Vorschläge zunächst eruieren und sich erst bei einem weiteren Treffen festlegen. Peetz bemerkte, dass zwar alle Ideen gut, einige aber bereits Realität seien, wie die Vorlesepaten der Stadtbücherei. "Man muss das Rad nicht neu erfinden."

(tpp)
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