Xanten "2Schneidig" rappt in der Realschule

Xanten · Der Musiker hat Rassismus und Gewalt am eigenen Leib erlebt und eine harte Drogenkarriere hinter sich.

 Musiker, Sänger und Rapper Martin Rietsch erzählte den Schülern aus seinem Leben. Jan meldete sich freiwillig. Auch er muss lernen, zu seiner Meinung zu stehen.

Musiker, Sänger und Rapper Martin Rietsch erzählte den Schülern aus seinem Leben. Jan meldete sich freiwillig. Auch er muss lernen, zu seiner Meinung zu stehen.

Foto: Arfi

Rassismus, Gewalt, Mobbing, Drogen: Themen, mit denen sich Schüler der 9. und 10. Klassen der Walter-Bader-Realschule gemeinsam mit Lehrerin Nadine Burghaus in der Arbeitsgemeinschaft "Schule ohne Rassismus" im ersten Schulhalbjahr auseinandersetzten. Themen, die auch Martin Rietsch nicht fremd sind: Der Musiker und Rapper hat Rassismus und Gewalt am eigenen Leib erlebt, unter anderem im Sportverein. Und er hat eine harte Drogenkarriere hinter sich. Vor 15 Jahren schaffte er es, aus dem Sumpf 'rauszukommen.

Seitdem ist er clean, seitdem ist er auch unter dem Künstlernamen 2Schneidig bundesweit unterwegs, um junge Menschen wachzurütteln, zu sensibilisieren, aufmerksam zu werden und mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Die Realschul-AG hatte ihn jetzt in ihre Schule geholt.

Und die Schülerinnen und Schüler, hingen förmlich an seinen Lippen, als Martin Rietsch seine Geschichte erzählte. Alkohol, Drogen, Diebstahl, Knast, falsche Freunde, keine Perspektive, Selbstmordgedanken, Drogenentzug. "Get up, stand up": 2Schneidig sprach die jungen Leute direkt an, fragte sie nach ihren Hobbys (chillen, Fußball, mit Freunden abhängen), ließ sie nicht vom Haken, spielte einen Kurzfilm ein: eine Straßenbahn, irgendwo in Deutschland. Ein dunkelhäutiger junger Mann steigt ein, fragt eine ältere Dame, ob der Platz neben ihr noch frei ist. Keine Antwort. Er quetscht sich durch zum Fensterplatz, schaut wie alle Fahrgäste auch nach draußen, versucht, die alte Dame zu ignorieren, die während der ganzen Fahrt wettert. Mit einem relativ harmlosen "Warum setzen Sie sich nicht woanders hin" fangen ihre Beleidigungen an, gipfeln in Sätzen wie "wir brauchen keine Hottentotten, die uns nur auf der Tasche liegen! Warum kommt ihr alle hier her, was wollt ihr hier? Als ob nicht schon die Italiener und Türken genug waren - jetzt kommen auch noch die Afrikaner". "Fahrkartenkontrolle" ruft der Schaffner von hinten. Die alte Dame holt ihren Fahrschein aus der Handtasche auf ihrem Schoß, an der sie sich verkrampft festhält. Nur noch wenige Sekunden ist der Schaffner entfernt, da greift der dunkelhäutige junge Mann nach ihrer Fahrkarte, steckt sie sich in den Mund und schluckt sie 'runter. "Ihre Fahrkarte bitte", ertönt es im selben Moment neben der alten Dame - "den hat der Neger gerade aufgefressen". Der Schaffner mag's kaum glauben: "So eine blöde Ausrede hab' ich ja noch nie gehört". Er fasst die Schwarzfahrerin am Ellbogen, bittet sie nach draußen. . .

Die Realschüler waren angetan, nicht nur von dem Film, überhaupt von dem Vormittag mit 2Schneidig. "Find' ich gut, dass er hier ist. Er geht sehr offen mit seiner Geschichte um", sagt der 16-jährige Justus; "Ich finde seine Geschichte spannend. Wie das ist, Rassismus zu erleben, aus seiner Sicht", ist auch Marvin (17) begeistert.

Genau wie Sabine aus der Klasse zehn: "Ich wollte hören, wie er Rassismus und Mobbing erlebt hat, seine Vergangenheit verarbeitet". Die 16-Jährige wird selber gemobbt, erzählt sie unserer Redaktion, "seit der Grundschule. Und bis heute." Aber inzwischen habe sie gelernt, damit umzugehen, nicht sofort auszuflippen.

(jas)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort