Zum Sonntag Auf die Frage "Alles gut?" heißt die Antwort "Überwiegend"

Xanten · Alles gut?" So begrüßt mich im Vorbeigehen lautstark eine Bekannte auf der Straße. Bevor ich zu einer Antwort ansetzen kann, ist sie schon um die nächste Ecke verschwunden. "Alles gut!" beruhigt der freundliche Mitarbeiter in der Kfz-Werkstatt seine Kundin, die auf das beunruhigende Motorgeräusch hinweist, das vermutlich eine teure Reparatur nach sich zieht. "Alles gut!" wiegelt der Chef ab, als seine Mitarbeiterin anmerkt, dass diese Entscheidung aber gegen die vorherigen Absprachen getroffen worden ist ...

Auch wenn ich meist ahne, was dieses "Alles gut", das seit geraumer Zeit in aller Munde ist, ausdrücken soll, so muss ich doch zugeben, dass ich mich damit schwer tue und ebenso mit einer Antwort darauf. Einerseits ist es ja schön, so viele scheinbar positiv gestimmte Menschen um sich zu haben, die Zuversicht ausstrahlen in einer zerrissenen Welt. "Alles gut" ist dann eine hoffnungsvolle Antwort auf die vielen Baustellen dieser Welt und somit vielleicht eher eine sehnsuchtsvolle Verheißung als eine Feststellung.

Zu oft aber drängt sich mir dabei der Eindruck auf, dass es nur um oberflächliche Beschwichtigung geht und dass es ehrlicher heißen müsste "Da möchte ich mich jetzt nicht mit auseinandersetzen müssen." Und dass das, was nicht gut ist, am liebsten gar nicht zur Sprache kommen soll.

Wo bleiben da die Menschen, die in ihrem Leben zu spüren bekommen, dass nicht alles gut ist, dass vieles schief läuft, die Brüche ertragen müssen, die Angst haben und verzweifelt sind? Wo können wir es uns erlauben zuzugeben, dass in unserem Leben nicht alles nur rund und gut läuft?

Morgen begehen wir den Palmsonntag. Ein Fest, das vordergründig den Anschein erweckt: "Alles ist gut!" Aber hinter der Fassade des begeisterten Empfangs Jesu in Jerusalem liegt die Wirklichkeit, die hart ist: Die Menschen, die Jesus gerade noch zugejubelt haben, lassen ihn fallen. Das Missverstehen ist groß, man folgt dem Mainstream: Palmsonntag ist noch nicht Ostern, dazwischen liegt der Karfreitag.

Das Leid und damit die Kreuze in dieser Welt einfach auszublenden, kann nicht die Lösung sein. Ostern zu feiern, ohne das Leiden des Karfreitags zu bedenken, ist belanglos, unbedeutend und schlichtweg oberflächlich.

Nicht "alles ist gut", und nicht "nichts ist gut". Der größte Teil des Lebens spielt sich irgendwo dazwischen ab. Doch das Leiden gehört eben auch dazu. Aber die Hoffnung, dass durch Dunkel und Durststrecken hindurch doch Neuanfang möglich wird, schafft so was wie Befreiung oder - mit einem Begriff des Glaubens ausgedrückt - Erlösung.

Ich habe mir übrigens angewöhnt, auf die Frage "Alles gut?" zu antworten: "Überwiegend". Das ist schließlich schon mal was. Und dass der andere Teil auch noch gut wird, das erahne ich mit meinem Osterblick.

Autorin Gertrud Sivalingam ist Pastoralreferentin in der Sonsbecker Pfarrgemeinde St. Maria Magdalena.

(RP)
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