Analyse Beim Zoff im "Wohnzimmer" geht's der SPD nicht nur um die Möbel

Xanten · Anne Casprig, einstige Stadtplanerin, hat auch inhaltlich die Seiten gewechselt.

aLPEN Wenn ambitioniertes Design auf Wirklichkeit trifft, sind heftige Ausschläge auf der Befindlichkeitsskala nicht unüblich. Aber was sich Dienstagabend im Ratsaal nach der Präsentation der Vorschläge für die Möblierung des "Wohnzimmers Alpen" zugetragen hat, übersteigt das Normalmaß erheblich. Da drohte ein bislang mit hohen Erwartungen und viel Beifall begleiteter Express mit Karacho an parteipolitisch motivierten Prellböcken zu zerschellen. Nur weil Bürgermeister Thomas Ahls beherzt in den Ring gestiegen ist, geht die Fahrt weiter. Der Vorschlag des Büros Felixx/De Zwarte Hond hat weiter die Chance, die Bürgerschaft zu überzeugen, dass Alpen künftig eine Wohnlichkeit bieten kann, die es sonst so nirgendwo gibt. Aber es bleiben Wunden.

Es war eine denkwürdige Sitzung. Da packte SPD-Fraktionschef Jörg Banemann, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, in freier Rede zu stolpern, ein Argumentationspapier aus - in Ton und Inhalt ein vernichtendes Urteil für den unterbreiteten Vorschlag und ein Frotalangriff auf den Bürgermeister. Dem unterstellte der Chef-Genosse, sich nach der Amaliengalerie mit dem Wohnzimmer "ein zweites Denkmal" setzen zu wollen. Starker Tobak, fernab jeglicher Sachlichkeit.

Ahls blieb gelassen, brachte aber sein Befremden zum Ausdruck, dass er sich weit vor der Zeit im tobenden Bürgermeisterwahlkampf wähne. In der Tat drängt sich die Frage auf, worum es den Genossen bei der Generalabrechnung mit den professionellen Planern eigentlich geht.

Die Bürger sollten sich selbst am "Alpen-begeistert-Tag" ein Bild machen. Da werden die Wohnzimmerarchitekten nicht nur ihre Gedanken erläutern, sondern auch einzelne Möbelstücke als Prototypen vorstellen, so dass sie jeder "begreifen" kann.

Die SPD-Attacke hat ein Geschmäckle. Banemann bekam fachkundige Schützenhilfe: Neu-Genossin Anne Casprig hob an zur rhetorischen Gratwanderung: Einerseits Lob für die Profis, das sie aber mit praktischen Details und finanziellen Vorbehalten gleich kassierte. Ausgerechnet Anne Casprig. Sie hat als Stadtplanerin den hochgelobten Architektenwettstreit ins Rollen gebracht, um nun, nachdem sie ausgestiegen ist, das Ergebnis infrage zu stellen. Ein Schelm. . . Die Genossen haben einen eigenen Vorschlag angekündigt. Wessen Handschrift der wohl trägt?

Der Forderung, über Design basisdemokratisch zu entscheiden, wie es auch der Grüne Peter Nienhaus will, setzten die Architekten anschauliche Erfahrung entgegen: "Es ist leichter, eine Bank-Zentrale zu planen als ein Einfamilienhaus, bei dem alle eine Meinung haben." Nur wenn es bei aller Emotionalität um die Sache geht, kommt für Alpen was raus, das über Chic aus dem Katalog hinausgeht. Die einmalige Chance dazu besteht. Noch.

(bp)
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