Xanten Bewegender Bericht: den Nazi-Terror überlebt

Xanten · Die heute 80-jährige Jüdin Eva Weyl erzählte vor Marienschülerinnen von den Schrecken der Verfolgung und der Lager-Haft.

 Eva Weyl aus Arnheim: In der Marienschule schilderte die Jüdin gestern eindrucksvoll ihre Überlebensgeschichte während der Nazi-Zeit.

Eva Weyl aus Arnheim: In der Marienschule schilderte die Jüdin gestern eindrucksvoll ihre Überlebensgeschichte während der Nazi-Zeit.

Foto: Fischer

Sie ist 80 Jahre alt und lebt in Arnheim, sie ist Jüdin und hat den Holocaust überlebt: Eva Weyl, eine der letzten Zeitzeuginnen, schilderte gestern in der Aula der Marien-Mädchenrealschule ihre bewegende Geschichte, ihre ganz persönliche Sicht auf die Verfolgung und systematische Ermordung der Juden Europas. Die Zehner-Klassen haben sich im Unterricht mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. "Wie schrecklich es war, können wir uns gar nicht vorstellen. Alle Schülerinnen bewundern Sie für Ihren Mut", dankte die stellvertretende Schulsprecherin Pauline Thyssen der 80-Jährigen dafür, dass sie nach Xanten gekommen war und mit ihren bewegenden Vorträgen dazu beiträgt, "dass Greueltaten wie der Holocaust nie wieder passieren".

"Auch wenn meine Geschichte etwas heftig ist: Sie endet gut. Wir alle aus der Familie Weyl haben überlebt", sagt die Dame, deren Großvater in Kleve ein Warenhaus aufgebaut hatte (dort, wo heute die Galeria Kaufhof steht) und deren Vater 1934 mit ihrer Mutter nach Arnheim zog. "In diesem Land können wir nicht bleiben", hatte der Vater gesagt, als Hitler 1933 an die Macht kam, die Rassengesetze erließ und dessen Chef der Sicherheitspolizei, Richard Heydrich, am 20. Januar 1942 die Wannsee-Konferenz leitete. Auf der planten damals 15 hohe NS-Offiziere den organisierten Massenmord an den Juden.

Eva Weyl war gerade sechs Jahre alt, als sie mit ihren Eltern im Januar 1942 ins sogenannte Durchgangslager Westerbork kam. Ein Lager, von dem aus mehr als 100.000 Juden aus den Niederlanden in die deutschen Konzentrationslager im Osten deportiert wurden. Nach Bergen-Belsen, Auschwitz, Theresienstadt. "Das Vorportal zum Tod" nennt Eva Steyl das Lager in Westerbork. Holzbaracken, Stapelbetten, im Sommer staubig, im Winter eiskalt. Frauen und Kinder getrennt von Männern und Vätern. Alle mussten arbeiten, 12 Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche. Nur Schwangere und Kinder unter 13 nicht.

Jeden Dienstag, manchmal auch öfter, seien die Menschen, deren Namen auf Listen notiert waren, in Viehwaggons gepfercht und deportiert worden. 70 bis 80 Menschen in jedem Waggon, ein Fass mit Trinkwasser, eins für die Notdurft. Und es habe Gerüchte gegeben: Flüchtlinge, die neu ins Lager kamen, erzählten von Gaskammern in den deutschen Konzentrationslagern. Drei Mal standen auch Eva Weyl und ihre Eltern auf der Liste. Drei Mal hatten sie Glück: drei Mal wurde der Transport gestrichen..

Drei Jahre und drei Monate lang lebten Eva Weyl und ihre Eltern in dem Lager, am 12. April 1945 befreiten kanadische Soldaten die Inhaftierten. Die Eltern, die ihr Leben nach dem Krieg in den Niederlanden neu aufgebaut haben, sind nie wieder nach Deutschland gefahren. Wie ihre Eltern ihr denn im Lager die Lage erklärt hätten, wollte eine Schülerin wissen. "Gar nicht. Die Eltern haben mir nie gesagt, was wirklich passiert". Die Eltern redeten nicht darüber, sie kämpften ums Überleben.

Viele Juden, so Eva Weyl, haben sich vor 1938 taufen lassen, sind zum Christentum konvertiert, um dem Tod zu entkommen. Ob sie heute noch Antisemitismus erlebe, fragt eine Schülerin. "Ja, überall und immer wieder. Juden kriegen immer Schuld. Gestern, heute, morgen". Wie sie sich denn fühle, wenn sie nach Deutschland kommt? "Wunderbar. Deutschland ist ein tolles Land. Jeder schaut nach Deutschland, wie man das hier so meistert, ökonomisch, aber auch in der jetzigen Flüchtlings-Situation".

(jas)
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