Unsere Woche Der Bürgermeister muss auf die Tube drücken

Xanten · Rheinbergs Bürgermeister Frank Tatzel ist seit einem Jahr im Amt. Im öffentlichen Auftritt macht der 50-Jährige schon eine ganz gute Figur. Bei "harten" Themen bleibt er nach wie vor blass. Er muss mutiger und meinungsfreudiger werden.

Unsere Woche: Der Bürgermeister muss auf die Tube drücken
Foto: Fischer Armin

Wir sind der Meinung, dass ein Bürgermeister auch dann schon Profil zeigen kann und Akzente setzen muss, wenn er noch nicht alle haushalterischen Kniffe und alle Tricks der Gemeindeordnung beherrscht. Schließlich ist der Bürgermeister der erste Bürger der Stadt, da darf man das erwarten.

Also haben wir Frank Tatzel schon mehrfach in Kommentaren scharf kritisiert und werden das auch weiterhin tun, wenn es angebracht ist. Das dürfte dem Bürgermeister nicht gefallen. Aber - und das muss man ihm hoch anrechnen - er akzeptiert das, stellt sich der Kritik der Presse und zieht sich nicht in den Schmollwinkel zurück.

Dennoch: Dieser Rheinberger Bürgermeister macht es einem in der Bewertung seiner Amtsführung nicht leicht. Die Repräsentanz beherrscht er. Stets korrekt im Auftritt, freundlich und bestimmt - Tatzel ist ein sympathischer Bürgermeister, keine Frage. Seine Fähigkeit, frei zu reden, wird sich ohne Zweifel noch verbessern. Da macht Übung den Meister.

Eines kreiden wir ihm nach wie vor an: Eine inhaltliche Linie ist in seiner Arbeit nicht erkennbar. Der weitaus wichtigere Part, wie wir finden. Die große Idee, die Perspektive, die Vision für die Stadt - da scheint es auch nach einem Jahr nichts zu geben. Zudem vermissen wir die angekündigte Bürgernähe. Nicht die Teilnahme an Schützenfesten, Büttenabenden und hundertsten Geburtstagen, sondern die direkte Auseinandersetzung mit den Menschen. Wo bleiben Termine wie "Verwaltung vor Ort", bei denen Bürger Fragen stellen und sagen können, was ihnen nicht passt? Themen gibt es genug: Neubaugebiete wie in Budberg werfen Fragen auf, rund um die Flüchtlinge gibt es genügend Gesprächsstoff, und auch die finanzielle Lage lässt sich durchaus in einer öffentlichen Runde darstellen. Wer sich so dem "Volk" stellt, der sammelt Pluspunkte. Auch wenn er nicht jede Frage sofort beantworten kann. Diesbezüglich muss Tatzel allmählich auf die Tube drücken, da muss was kommen.

Was die Politik in Rheinberg angeht, so haben wir uns doch sehr über die vornehme Zurückhaltung gewundert. Wir hatten die Fraktionsvorsitzenden gebeten, Tatzels Arbeit zu bewerten. Was haben sich die Befragten gewunden! Es sei nicht die Aufgabe der Politik, die Arbeit des Bürgermeisters in "gut" oder "schlecht" einzuteilen, wurde uns gesagt. Dafür sei die Presse da. Weit gefehlt: Es ist sogar die Pflicht des Rates, der Verwaltung und damit ganz besonders dem Bürgermeister auf die Finger zu schauen und sich dazu zu äußern. An den Stammtischen über den Bürgermeister zu meckern und öffentlich zu kneifen - das ist kein Ruhmesblatt für die Lokalpolitik.

Gehen wir mal wohlwollend gemeinsam davon aus, dass die "richtige" Amtszeit von Frank Tatzel jetzt beginnt. In diesem Sinne: ein angenehmes Wochenende!

(RP)
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