Xanten Der Dom steht wieder auf eigenen Füßen

Xanten · Nach dreimonatiger Arbeit wurde gestern die Spannvorrichtung gelöst, mit der die Kirche nach dem notwendigen Abbruch und während des Neuaufbaus eines Pfeilerteils im Gleichgewicht gehalten wurde.

 Angespannte Aufmerksamkeit: Mathias Dungs von der Dombauhütte verfolgte das Lösen des Seils von der Nordseite des Doms.

Angespannte Aufmerksamkeit: Mathias Dungs von der Dombauhütte verfolgte das Lösen des Seils von der Nordseite des Doms.

Foto: Armin Fischer

Der Dom ruht wieder auf allen seinen Pfeilern und Bögen. Nach dreimonatiger Arbeitszeit, während der eine Teil eines Chorpfeilers abgetragen und neu errichtet werden musste, lösten gestern Nachmittag der Leiter der Dombauhütte, Johannes Schubert, und der Vorsitzende des Dombauvereins, Hans-Wilhelm Barking, die zwei Parafilseile, die von der Südseite quer durch den Kirchenraum zum Schwesternpfeiler auf der anderen Seite gespannt worden waren. Auf diese Weise waren die Kräfte im Gleichgewicht gehalten worden.

Es lag bei beginnender Dämmerung schon eine gewisse Spannung über dem alten Kirchengebäude. So wie damals bereits, als die Seile gespannt wurden. Eine knifflige Angelegenheit: Bei zu wenig Spannung wäre das Dach nach außen weggesackt, bei zu hoher hätte sich das Dach nach oben hin zusammengezogen. Die Statiker des Aachener Büros Kempen-Krause hatten jedoch ganze Arbeit geleistet. Dennoch mussten die von der Kölner Dombauhütte ausgeliehenen Seile bis zu zehn Zentimeter nachgespannt werden, als das Bauwerk von seinem Stützpfeiler gelöst wurde.

 Das Ende der aufwendigen Arbeiten. Hans-Wilhelm Barking (links) und Johannes Schubert bereiten sich den Einsatz der Ratschen vor.

Das Ende der aufwendigen Arbeiten. Hans-Wilhelm Barking (links) und Johannes Schubert bereiten sich den Einsatz der Ratschen vor.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Gestern in gut 20 Metern Höhe der umgekehrte Vorgang. Mit großen Ratschen lösten Barking und Schubert die zwei Spannvorrichtungen. Eine halbe Tonne, später ein ganze, und schließlich gut 1,5 Tonnen Gewicht senkten sich auf den neuen Pfeiler herab - unter den wachsamen Augen von Tassilo Gernandt. Der Ingenieur der Rheinberger Firma Smart Solutions Technologie (SST) verfolgte die Folgen jeden Schritts auf seinem Handy. Dorthin wurden die von einem Sensor gemessenen "Bewegungen" des Doms übertragen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Doms verfolgten die Hütten-Mitarbeiter Mathias Dungs und Thorsten Knapp, wie sich die Aktion entwickelte. Nach 25 Minuten war alles vorbei. Die Seile hingen schlaff im Chor des Doms, den Besucher während dieser Zeit nicht betreten durften, durch. Ein letzter starker Ausschlag auf dem Display, Dann Ruhe. Und: "Keine Risse", meldete Schuberts Team übereinstimmend. "Herzlichen Glückwunsch", bedankte sich Barking schwer atmend bei den Hütten-Mitarbeitern. Die Arbeit war tatsächlich schweißtreibend.

Vier Wochen lang wird die Sensorbeobachtung jetzt noch fortgesetzt. Die Frage ist, wie sich das Gebäude bei extremeren Wetterlagen, bei Eiseskälte und starken Winden verhält. Die waren während der über dreimonatigen Arbeit ausgeblieben. "Gott sei Dank", sagte Schubert. Ausprobieren, wie sich die Spannvorrichtung bei starkem Nordwind bewährt hätte, das musste nicht sein.

Die Arbeit an den acht Geschwister-Pfeilern ist damit nicht beendet. Aber eine solche Aktion wie an "Pfeiler 25" sollte nach bisherigen Erkenntnissen ein Einzelfall bleiben. Hier waren die wie ein Schornstein hochgemauerten Steine nicht nach innen verankert worden. Zudem war der Innenraum mit Ziegeln, Mörtel und sogar Holzstückchen verfüllt worden. Seit Jahrzehnten hatte sich hier eindringendes Wasser seine Wege gegraben. Das hatte zu immer größeren Rissen geführt; der Druck nach außen war immer stärker geworden. Die Standsicherheit des gesamten Doms war gefährdet.

Jetzt geht es zur nächsten Baustelle. Barking: "Wenn an einem Dom kein Gerüst steht, läuft was falsch."

(RP)
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