Xanten Der Reformationsforscher

Xanten · Der ehemalige Lehrer Jürgen Rosen taucht im Stiftsmuseum tief ein in die Xantener Kirchengeschichte. Die Nähe zu den Niederlanden spielte eine große Rolle.

 Jürgen Rosen erforscht die Geschichte der Reformation unter anderem im Stiftsmuseum. In der Bibliothek gibt es unter anderem eine Lutherbibel und einen Stich des Martin Luthers.

Jürgen Rosen erforscht die Geschichte der Reformation unter anderem im Stiftsmuseum. In der Bibliothek gibt es unter anderem eine Lutherbibel und einen Stich des Martin Luthers.

Foto: Armin Fischer

Es waren Hammerschläge, die die damalige abendländische Welt in ihren Grundfesten erschüttern sollten. Wenn sie überhaupt vor genau 500 Jahren stattgefunden haben, denn Jürgen Rosen, früherer Lehrer unter anderem für Geschichte am Stiftsgymnasium, ist überzeugt, dass Luther nie wirklich seine 95 Thesen an die Kirchentür zu Wittenberg genagelt hatte. Die Geschichte sei mehr symbolisch zu verstehen. Unbestritten ist jedoch, dass die Welt der Gläubigen seit 1517 - dem offiziellen Beginn der Reformation - urplötzlich nicht mehr die Gleiche war. "Vermutlich haben von Beginn an auch in Xanten lose, wenn auch noch nicht mit einer Gemeindeverfassung versehene reformierte Gruppen bestanden", sagt Historiker Rosen.

Dass die Reformation am tiefkatholischen Niederrhein überhaupt Fuß fassen und sich hier im späteren Verlauf eine neue Gemeinde gründen konnte, lag vor allem "in dem weit verbreiteten Verlangen nach kirchlichen Reformen. Es brach im Zuge Luthers von neuem auf und äußerte sich in mannigfachen Formen." So beschrieb Karl Keil die damalige Situation in einer Chronik zu 350 Jahren evangelischer Kirche am Markt, in der er alte Quellen von etwa 1900 zusammenfasste.

Eine wesentliche Rolle übernahmen dabei Herrscher des Herzogtums Kleve. Sie zeigten sich weltoffen und strebten danach, ihre Kirche zu erneuern. Herzog Johann III, der von 1511bis 1539 regierte, stand den neuen Lehren noch verhalten gegenüber und wollte sie - bei allem Wunsch nach Reformen - gar nicht erst eindringen lassen. Doch sein Nachfolger schon, Wilhelm V. (1539 - 1592) war "dogmatisch noch um einiges weitherziger", erläutert Keil, "ja es schien anfangs sogar, als ob er den Reformierten näher stünde als seiner alten römisch-katholischen Kirche".

Das zeigte sich zum Beispiel an den protestantenfreundlichen Beratern am Hofe, an der Erziehung seiner Kinder und an der Beziehung zum evangelisch gesinnten Kölner Erzbischof. Solche Einstellung schlug bis zur den Untertanen durch, denen Wilhelm beide Formen des Abendmahls erlaubte. Rosen: "Im Dom wurde die Messe in beiderlei Gestalt gefeiert. Das ist eine Zeit lang gut gegangen."

Damit stand er jedoch seit der Hälfte seiner Regentschaft in Konflikt mit der römischen Lehre, die die Kommunion unter beiderlei Gestalt ausdrücklich verbot. Keil: "Wilhelm V. hatte lange geglaubt, eine Spaltung beider Richtungen verhindern oder zumindest ein friedliches Nebeneinander erreichen zu können." Eine Hoffnung, die trog, Deutschland spaltete sich konfessionell in zwei Lager. Nach einem Schlaganfall Wilhelms gewannen in seiner unmittelbaren Umgebung wieder die katholischen Kräfte mehr und mehr an Einfluss.

Auch die Nähe zu den Niederlanden spielte bei der Entwicklung der protestantischen Gemeinde in Xanten eine wesentliche Rolle. Mit der Besetzung der Niederlande durch die Spanier 1567 flohen viele Reformierte über die Grenze in das Herzogtum Kleve. Sie brachten das Laienelement im Dienst der Gemeinde mit.

Die früheste Erwähnung einer evangelischen Gemeinde in Xanten stammt von 1572, als die ersten gottesdienstlichen Treffen im Haus eines Mühlenmeisters stattfanden. Die Gläubigen kamen aus allen Schichten, unter ihnen waren Adlige, Beamte, Juristen, Handwerker und einfache Leute. Aber: "Schon zwei Jahre später erging von der Regierung ein Befehl, der das Lesen verdächtiger Bücher streng untersagte", erläutert Keil, "zum Beispiel deutsche Bibeln, Psalmen, Katechismen und Betbüchlein".

Schlimmer noch. Mit der Besetzung des Niederrheins durch die Spanier 1586 erlebten die Protestanten eine Zeit der Unterdrückung. Die Gläubigen mussten "sich wieder im Verborgenen versammeln und mit gelegentlicher Hilfe auswärtiger Prediger begnügen".

Die evangelische Kirchengemeinde blieb lange Zeit recht klein, umfasste im Jahre 1904 gerade einmal 240 Mitglieder. Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stieg jedoch ihre Zahl drastisch an, als viele Lutheraner aus dem Osten Deutschlands am Niederrhein sesshaft wurden.

(kump)
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