Xanten "Die Anleinpflicht ist Unsinn"

Xanten · Interview mit Günther Bloch: Der Hundeexperte spricht heute in Xanten über das Aggressionsverhalten der Vierbeiner. Schon im Kindergarten, so fordert er, sollte der Umgang mit Haustieren spielerisch gelehrt werden.

Auf einer Veranstaltung der Hundeschule Rheinberg von Beata Schubert hält Günther Bloch einen Vortrag im Schützenhaus Xanten. Das Aggressionsverhalten von Hunden sowohl untereinander als auch gegenüber Menschen steht im Mittelpunkt. Bloch leitet die seit über 30 Jahren bestehende "Hundefarm Eifel", wo das Verhalten von Caniden (Wölfe, Hunde, Kojoten, Füchse etc.) untersucht wird. Er ist erfolgreicher Buchautor und auch bekannt aus TV-Sendungen wie "Tiere suchen ein Zuhause" (WDR).

Herr Bloch, in Xanten reden Sie über Aggresionen bei Hunden . . .

Bloch Das Hauptthema lautet "Hund im Haus und Garten", Aggressionen gehören da dazu. Aggressionen an sich sind ja nichts Negatives, sie sind Bestandteil des Leben, bei Hunden genauso wie bei Menschen. Es kommt darauf an, wie sie sich äußern, verteidigend oder angreifend.

Auf mich wirken Hunde, die mich zum Beispiel beim Waldlauf anbellen, eigentlich immer angriffslustig.

Bloch Drohverhalten hat aber die biologische Funktion der Warnung und nicht des Angriffs. Der Hund will sagen: Halte Anstand, lass mich in Ruhe. Er hat einfach nur Angst.

Und wie erkenne ich, ob die Angst in Angriff übergeht?

Bloch Das kann man pauschal nicht sagen. Es kommt auf den Zusammenhang an, auf die Körpersprache des Hundes. Wenn Bewegung im Spiel ist kommt noch dazu, dass Hunde als Nachfahren des Wolfes Beutegreifer sind und ihr Jagdtrieb unter Umständen geweckt wird. Der Normalfall sollte sein, dass die Halter die Hunde rufen und der Hund gehorcht.

Aber viele Hundehalter scheinen mit ihren Tieren nicht fertig zu werden.

Bloch Das Problem ist, dass unsere ganze Gesellschaft naturentfremdet ist. Schon im Kindergarten und in den ersten Schulklassen müsste Biologie über Haustiere gelehrt werden. Wenn man den Umgang mit dem Hund als Kind spielerisch lernt, weiß man später sofort, wie man ein bestimmtes Verhalten eines Hundes zu bewerten hat. Ein solcher früher Unterricht wäre dringend notwendig.

Und wie verhalte ich mich nun als Jogger richtig?

Bloch Eins ist immer falsch: weglaufen. Der Hund könnte das als Flucht verstehen und, Stichwort Jagdtrieb, angreifen. Am, besten ist es, anzuhalten und ruhig stehen zu bleiben. In 80 bis 90 Prozent der Fälle passiert dann gar nichts. Aber mir ist klar: Das ist leichter gesagt als getan.

Erst recht, wenn der Hund nicht angeleint ist . . .

Bloch Die Anleinpflicht ist völliger Unsinn. Die Forschung zeigt ganz klar, dass die Aggressionen durch die Leine verstärkt werden. Entweder fühlt der Hund sich besonders sicher und zeigt zum Beispiel gegenüber Joggern aggressives Verhalten oder er hat erst recht Angst und droht ebenfalls. Wie gesagt: Normalerweise muss der Hundehalter dafür sorgen, dass der Hund sich benimmt.

Kann denn jeder Hund lernen, sich nicht aggressiv zu verhalten?

Bloch Das kommt ganz auf die Vorerfahrungen des Tieres an. Es gibt zum Beispiel sehr rücksichtslose Radfahrer. Wenn ein Hund Bekanntschaft mit einem solchen Radler gemacht hat, wird er später entsprechend verhalten. Und um noch mal aufs Joggen zurück zu kommen: Am besten wäre es, wenn Hunde als junge Welpen mit Joggern laufen würden. Dann würden sie sich an die Situation gewöhnen. Ein Hund wird nur dann aggressiv, wenn eine Situation außerhalb der Routine liegt, die er kennt.

Josef Pogorzalek führte das Gespräch.

(RP)
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