Xanten Die Boten für traurige Nachrichten

Xanten · Die Opferbetreuer sind speziell geschulte Mitarbeiter der Polizei im Kreis Wesel. Eine sehr belastende Aufgabe.

 Vor der Xantener Polizeiwache: Horst Groß (links) und Rainer Groß, die sich um den Opferschutz und die Betreuung von Angehörigen kümmern.

Vor der Xantener Polizeiwache: Horst Groß (links) und Rainer Groß, die sich um den Opferschutz und die Betreuung von Angehörigen kümmern.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Hier ein Unfall mit einem Toten, dort ein Suizid oder eine Straftat mit tödlichem Ausgang. Die Frage ist: Wer soll den Angehörigen die schreckliche Nachricht überbringen? Seit 2002 gibt es bei der Polizei im Kreis Wesel speziell darauf geschulte Mitarbeiter, die Opferbetreuer. Horst Groß, Leiter des Kommissariats Kriminalprävention/Opferschutz, koordiniert den Einsatz.

Der Xantener Rainer Groß gehört zu dieser rund 30-köpfigen Gruppe, die sich aus Polizeibeamten und Verwaltungsangestellten zusammensetzt. Bei Rufbereitschaft liegt das Handy auch nach Dienstschluss ständig griffbereit. Sobald sich im Kreisgebiet ein Todesfall ereignet, der den Einsatz der Polizei erfordert, wird er alarmiert. "Unsere hauptsächliche Aufgabe ist das Überbringen von Todesnachrichten", sagt Koordinator Horst Groß. Eine schwierige Aufgabe. Grundsätzlich fahren dann zwei Polizeibeamte und ein Notfallseelsorger zu den Angehörigen, um ihnen die schlimme Nachricht mitzuteilen; eine telefonische Information gehe gar nicht.

Wesel wie auch Kleve gehören zu den wenigen Polizeibehörden im Land, die eine solche Gruppe ins Leben gerufen haben. Bei Gründung vor 13 Jahren meldeten sich spontan rund 20 Kollegen für diese ehrenamtliche Ausgabe. Davor hatte es fast jeden mal getroffen, zu den Hinterbliebenen zu fahren. Zumeist waren es Beamte, die unmittelbar vom Unfall- oder Tatort dorthin eilten und noch unter den schrecklichen Eindrücken des Gesehenen standen. "Das waren schlechte Voraussetzungen", erinnert sich Horst Groß.

Opferbetreuer hingegen sind Kollegen, die nicht selbst mit dem Fall betraut sind. "Für diese Aufgabe braucht es Zeit. Man muss von außen daran gehen", erläutert der Kriminalhauptkommissar. Daher müssen vorab möglichst viele Informationen zusammengetragen werden, zum Beispiel über die Leitstelle, von den Kollegen, die den Unfall aufnahmen, oder über eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt. Denn das Informationsbedürfnis der Angehörigen ist enorm. "Wir müssen uns gründlich vorbereiten", sagt Rainer Groß. "Man hat sofort viele Fragen."

Das Überbringen der Nachricht wird in Fortbildungen immer wieder geübt. Manchmal schlüpfen sogar professionelle Schauspieler in die Rolle der Hinterbliebenen. "Sehr authentisch", betont Horst Groß. Dann ist schnell vergessen, dass es sich nur um ein Training handelt.

Eine der ersten Botschaften in solchen Schulungen ist, nicht sofort zwischen Tür und Angel zu sprechen. Statt dessen sollte man sich gemeinsam im Wohnraum hinsetzen. Opferbetreuer müssen auf jede Reaktion vorbereitet sein. "Die Spannbreite ist kaum zu beschreiben", sagt Rainer Groß aus fünf Jahren Erfahrung. Sie reicht von Schweigen bis zu Schreien und Aggression. Manche Angehörige wollen das Geschehene nicht wahrhaben, andere halten es für unmöglich.

Die Opferbetreuer nehmen sich die Zeit, um den Hinterbliebenen bei der Bewältigung des ersten Schmerzes zu unterstützen. Manchmal können sie schon nach einer halben Stunde gehen, manchmal "kann es auch mehrere Stunden dauern", berichtet Horst Groß. Auf jeden Fall wird niemand allein gelassen, sondern es ist immer dafür gesorgt, dass ein Mensch für die erste Schmerzbewältigung anwesend ist, der Notfallseelsorger zum Beispiel oder ein alarmierter Verwandter oder Freund. Einige Wochen später meldet sich der Opferbetreuer noch einmal bei der Familie und bietet ein weiteres Gespräch an. Alles zusammen, sagt Groß, eine sehr belastende Aufgabe. "Die Bewältigungsstrategie muss jeder für sich selbst herausfinden. Normalität gibt es nicht."

(pek)
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