Xanten Die Hoffnung lebt auf allerengstem Raum

Xanten · Zu Besuch im Übergangswohnheim für Flüchtlinge am Küvenkamp: Bis zu vier Personen leben dort zusammen auf engstem Raum. Einige der Bewohner leben dort schon seit Jahren und hoffen noch immer auf eine bessere Zukunft.

 Enge und Tristesse als ständige Begleiter: Tesfalem Hagos sitzt oft auf seinem Bett und guckt fern. Viel Abwechslung bleibt ihm in seinem Alltag ansonsten nicht. Im Bett mit dem orangefarbenen Laken gegenüber schläft einer seiner vier Zimmernachbarn. Die anderen beiden teilen sich ein Hochbett.

Enge und Tristesse als ständige Begleiter: Tesfalem Hagos sitzt oft auf seinem Bett und guckt fern. Viel Abwechslung bleibt ihm in seinem Alltag ansonsten nicht. Im Bett mit dem orangefarbenen Laken gegenüber schläft einer seiner vier Zimmernachbarn. Die anderen beiden teilen sich ein Hochbett.

Foto: armin fischer

Als Tesfalem Hagos anfängt, von seiner Familie zu sprechen, beginnen seine Augen zu leuchten - für einen Moment. Auch wenn er im Monat nur einmal für etwa 20 Minuten mit seinen Eltern und seinen fünf Geschwistern am Telefon sprechen kann, fühlt er sich seiner Familie nahe. Kurz darauf ist seine Mine bitter ernst. Dann kann man ahnen, wie es im Inneren des Mannes aussehen muss.

Hagos ist aus seinem Heimatland Eritrea nach Deutschland geflüchtet. Ein Jahr und zwei Monate ist das inzwischen her. Er ist einer von 77 Flüchtlingen, die nach Angaben der Stadt derzeit in Xanten leben. Nur eine Handvoll ist in angemieteten Wohnungen untergebracht, 62 leben in der Erstaufnahmestelle am Küvenkamp. Dort wohnt auch der junge Mann aus Eritrea.

Aus seinem Heimatland ist der 24-Jährige aufgrund der brisanten politischen Lage geflohen. "Jungen Leuten droht in meiner Heimat die Armee", sagt er. "Egal ob man will oder nicht." Wer kann, verlässt vorher das Land, um Krieg, Tod und schlechten Bildungschancen zu entkommen. Nicht einmal jedes zweite Kind besucht die Schule.

 In diesem Plattenbau im Gewerbegebiet am Küvenkamp leben 62 Personen. Die Unterkunft bietet ihren Bewohnern wenig Raum für Privatsphäre.

In diesem Plattenbau im Gewerbegebiet am Küvenkamp leben 62 Personen. Die Unterkunft bietet ihren Bewohnern wenig Raum für Privatsphäre.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Mitten in Xanten, dort, wo jedes Wochenende Touristen Geld in die Kassen spülen, lebt der 24-Jährige unter einfachsten Bedingungen. Mit drei weiteren Männern teilt er sich ein Zimmer, das nicht größer ist als 25 Quadratmeter. Die Einrichtung des Hauses, das von einem langen Gang durchzogen wird, ist karg, es ist schmuddelig und alt. Trotzdem empfangen die Männer ihre Gäste in ihrem Zimmer zuvorkommend. Zur Begrüßung gibt es ein Glas Wasser, das einer der Männer randvoll schüttet.

Obwohl es nur wenige Schritte vom Eingang bis zum Zimmer sind, gleicht der Gang dorthin einer sinnlichen Weltreise. Immer der Nase nach. Aus den Zimmern kommen verschiedenste Gerüche. Am Eingang riecht's nach Curry, dann nach Ingwer, es riecht fremd, aber gut. Der Aroma-Mix macht das Übergangsheim etwas wohnlicher.

Henric Peeters, Geschäftsführer des Caritasverbandes Moers-Xanten, kennt die Umstände, unter denen die Flüchtlinge leben. Er hält das Haus am Küvenkamp "für eine der besseren Einrichtungen" im Land. Dennoch hapere es auch abseits des rein Materiellen an vielem: gesellschaftliche Kontakte, Beschäftigung und Bildung, erklärt Henric Peeters.

Im Zentrum des vollgestellten Zimmers steht ein alter Röhrenfernseher. "Wir sehen deutsches Fernsehen, um die Sprache lernen", sagt Hagos. Deutsch lernen die Männer ansonsten nur zwei Mal pro Woche für wenige Stunden, dank des freiwilligen Angebots einer Bildungseinrichtung. Hagos verständigt sich lieber noch in gebrochenem Englisch. Das reicht für das Nötigste. "Zum Glück", sagt er, leben in Xanten fünf weitere Männer aus Eritrea. Hagos nennt die Männer seine "Brüder". Alle teilen dasselbe Schicksal.

Der Alltag der Gruppe ist immer gleich. An zehn Tagen im Monat arbeiten sie sechs Stunden lang für den Dienstleistungsbetrieb Xanten. Dort erledigen sie Grünarbeiten. Die Stadt spricht von einer Beschäftigungsmaßnahme. Einen Euro erhalten die Männer pro Stunde, im Monat macht das 60 Euro zusätzlich zu den 333 Euro, die sie als Hilfe bekommen.

Wenn sie könnten, würden sie gerne mehr arbeiten. Nicht in erster Linie, um Geld zu verdienen, sondern um eine Beschäftigung zu haben. "Man kommt hier oft ins Nachdenken und fängt an, traurig zu werden", sagt Hagos. Den Männern hilft es, etwas zu tun haben.

Nur selten kommenden Ehrenamtliche vorbei, teilweise organisiert von der Caritas. "Wir versuchen, das ehrenamtliche Engagement so gut es geht zu bündeln, um den Menschen hier Teilhabe zu ermöglichen", sagt Peeters. Vertrauenspersonen gibt es für die Bewohner aber kaum. Eine der wenigen ist Anke Kretz, Sozialarbeiterin der Caritas. Sie hat ein offenes Ohr für Probleme. "Die Männer wollen unbedingt Deutsch lernen, darum bitten sie immer wieder", sagt sie.

Hagos und seine Zimmernachbarn wollen sich in Deutschland eine Zukunft aufbauen. Wie weit ihr Weg noch ist, kann den Männern, die immer noch voller Hoffnung sind, aber niemand sagen. Hagos war vor etwa zehn Monaten in Bonn, um sich im Asylamt für eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bewerben. Gehört hat er bis heute nichts. Erst wenn er das Aufenthaltsrecht bekommt, öffnen sich für den jungen Mann neue Türen.

Dann erst bekommt er eine Arbeitserlaubnis, dann erst kann er einen geförderten Sprachkurs besuchen, dann erst kann er sich eine Wohnung suchen. Erst dann beginnt für Hagos der nächste Abschnitt seiner Reise.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort