Zum Sonntag "Die Realität fordert uns und kostet Kraft"

Xanten · Die Kirche hatte ein gutes Gespür dafür, dass beides zum Menschen gehört: Fasten und Feiern. Beides gehört zusammen: sich der eigenen Wahrheit zu stellen und die eigene Wahrheit zu überspringen, indem man sich in Kostüme kleidet und ganz andere Rollen spielt.

Zum Sonntag: "Die Realität fordert uns und kostet Kraft"
Foto: Armin Fischer

Alle Jahre wieder feiern wir Karneval, mit kölschen Liedern, mit Gesang und ganz viel Gefühl. Auch dann wenn die Welt scheinbar aus den Fugen gerät, der Klimawandel uns bedroht, Menschen sich aneinander verletzen, die Reichen reicher und Armen ärmer werden, Menschen ihre Heimat verlassen um bei uns eine Neue Heimat zu finden... All das ist Realität, all das fordert uns heraus und kostet Kraft und Energie. Der Karneval stellt alles auf den Kopf, lässt uns die Dinge mit anderen Augen sehen - ermöglicht einen Seitenwechsel - nicht um die Realitäten auszublenden, sondern um neue Kraft, neue Energie zu tanken. Der Karneval ermöglicht es, die Verhältnisse" zum Tanzen zu bringen" sagte Bischof Rainer Maria Woelki im Kölner Dom. Der Karneval lädt uns ein, aus der Reihe zu tanzen, um sich letztlich nicht damit abzufinden, was ungerecht ist.

Weit verbreitet sind inzwischen die typisch kölschen Lieder im Karneval. Auch wen sie manchmal oberflächlich und ausgelassen daherkommen -sie enthalten auch Botschaften, die zum Nachdenken anregen. Im Lied vom Stammbaum singen die Black Föös, wie alles anfing: Sie kamen als Römer - als Franzosen, als Bauer, Schreiner, Fischer, als Bettler oder Edelmann... Wir sprechen alle dieselbe Sprache, wir haben so viel gewonnen - das ist das, wo wir stolz drauf sind. Oder wenn sie singen "Drink doch ene met", dann ist das doch eine Einladung - eine Erinnerung, niemanden allein zu lassen - niemanden stehenzulassen. Das neue Lied der Brings "Liebe gewinnt" wird in diesem Jahr bewusst nicht im kölschen Dialekt gesungen - ist nicht der typische Karnevalshit mit eitlem Sonnenschein, kölschen Gefühl und guter Laune. Sie wollen mit ihrem Lied, bei allem Feiern und Fröhlichsein, zum Nachdenken anregen. Die Menschen sollen zusammenrücken, sich vor allem wieder mehr auf ihre Mitmenschen besinnen.

In dem Lied heißt es: Auch wenn es hoffnungslos scheint, die ganze Welt weint... und wir beten dafür, dass ein Wunder geschieht und wir endlich kapieren, dass wir alle gleich sind und nur die Liebe gewinnt. Eine Liebe die alle Grenzen überwindet, eine Liebe, mit der alles möglich ist, eine Liebe, die freimacht. Wen wir in diesem Sinne Karneval feiern, kommen wir der Botschaft Jesu schon sehr nahe. Auch Jesus Christus hat die damalige etablierte Ordnung auf den Kopf gestellt.

Bei ihm hatten alle Platz, die Kranken, die Ausgestoßenen, die Kinder und Frauen, die Fremden, die Sünder..., mit ihnen allen hat er gefeiert und Mahl gehalten. Auch dann, wenn andere den Kopf schüttelten und ihn als Fresser und Säufer bezeichneten. Herr, du unser Gott, du siehst uns an, auch wenn wir uns verkleiden, du siehst in unser Herz. Manchmal spüren wir, dass viel mehr in uns steckt als wir im Alltag denken. Zu Fasching können wir das Leben und deine Freiheit prickelnd wie Brause in der Nase spüren und die Fröhlichkeit in uns und in unsere Umgebung einlassen und uns einfach nur freuen, wie Hanns Dieter Hüsch es mal formuliert hat.

GEORG WELP, PASTORALREFERENT, ST. PETER IN RHEINBERG.

(RP)
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