Xanten Die Retter des Xantener St.-Viktor-Doms

Xanten · Ein Chorpfeiler musste abgetragen werden, da sein Kern beim Wiederaufbau mit mangelhaften Materialien aufgefüllt worden war.

 Johannes Schubert überprüft hoch oben an den Kirchenfenstern die Spannung der Zugseile. Sie sichern anstelle des Pfeiles die Standfestigkeit des Doms.

Johannes Schubert überprüft hoch oben an den Kirchenfenstern die Spannung der Zugseile. Sie sichern anstelle des Pfeiles die Standfestigkeit des Doms.

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Das ist Rettung in höchster Not: Die Dombauhütte hat einen Teil eines Chorpfeilers demontieren müssen. Die Lastverteilung des Gewölbes wird derzeit durch Parafilseile gesichert. Bis Ende Oktober der soll der Wiederaufbau bewerkstelligt werden. Untersuchungen hatten ergeben, dass der Kern des mit Basaltsteinen ummauerten Pfeilers beim Wiederaufbau mit mangelhaften Materialien aufgefüllt und nicht mit der Ummauerung verankert worden war.

Johannes Schubert, Leiter der Xantener Dombauhütte, bezeichnete bereits die Untersuchungsergebnisse als "zumindest mittleren Schock": Bereits im Jahr 2013 mussten Pfeiler an der nördlichen und südlichen Domseite mit Stangen und Mikromörtel-Injektionen gesichert werden. Bei einer weiteren Inspektion aber wurden am Schaft von ,Pfeiler 25' dicke Risse entdeckt. Nach einer Probeentnahme und einer genauen Vermessung, unter anderem mit 3D-Aufnahmen, war das Schadensbild klar: Dieser Pfeiler auf der "Marktseite" des vorderen Kirchenraums war durch permanente Durchfeuchtung und durch Frost so stark geschädigt, dass sie, so Schubert, "ein Risiko für die Standsicherheit des gesamten Bauwerkes darstellten".

 Beim Abtragen des Pfeilers hoch oben am Dom (v.l.): Steinmetz Tobias Felske, Auszubildender Elias Gustov und Steinmetz Matthias Dungs

Beim Abtragen des Pfeilers hoch oben am Dom (v.l.): Steinmetz Tobias Felske, Auszubildender Elias Gustov und Steinmetz Matthias Dungs

Foto: Fischer

Der gotische Dom entstand in einer Art "Skelettbauweise", sagt der Hüttenleiter. Die jeweils gegenüberliegenden 18 Meter hohen Pfeiler und ihre Bögen tragen das aufliegende Gewölbe. Das über fünf Meter tief im Boden verankerte System ist nur haltbar, wenn die Pfeiler standhaft sind. Das heißt nicht, dass sich so ein Bauwerk nicht rührt. Bei starken Winden bewegt es sich sogar im Zentimeterbereich - träge zwar, also immer mit etwas Verzögerung, aber deutlich messbar. Pfeiler und Bögen dienen dabei als Gelenke: "Die gegenüberliegenden Kräfte müssen immer im Gleichgewicht bleiben, sonst ergibt sich ein irreversibler Schaden", erklärt Schubert. Platt gesagt: Zurechtrücken ist nicht mehr möglich.

Etlich hohe Steinstufen des Eulenturms und über weitere Leitern ein Gerüst hinauf, ganz oben über dem "betroffenen" Pfeiler wird das Ausmaß des Schadens deutlich: Den 100 bis 650 Kilogramm schweren, wie ein Schornstein aufgemauerten Steinen aus Lavabasalt können Wind und Wetter eigentlich nichts anhaben. Der Kern aber war beim Wiederaufbau mit Ziegeln und Mörtel verfüllt worden. Sogar Holzstückchen haben die Mitarbeiter der Dombauhütte gefunden. Seit Jahrzehnten hat sich Wasser dort seinen Weg gegraben. Wasser, das im Winter gefriert und dann aus Gips und Teilen des Portlandzements Kristalle gebildet hat. Diese führten dazu, dass die Risse immer größer wurden, sich der Druck nach außen verstärkte.

Das wesentliche Problem aber: "Der Kern und die Basaltsteine müssen mit Eisenstäben verankert sein", sagt Schubert. "Die Steine waren auch mit den entsprechenden Löchern angeliefert und verbaut worden - ohne die Anker." Die Löcher waren beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg nur zugeschmiert worden, aus Geldmangel oder Unkenntnis weiß niemand.

(RP)
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