Interview Pater Nikodemus Schnabel, Jerusalem "Du musst ganz schön schmerzfrei sein"

Xanten · Pater Nikodemus Schnabel (Jahrgang 1978) lebt in der Jerusalemer Dormitio-Abtei im Niemandsland zwischen Israel und Palästina. Im Rahmen der Reihe Sonntagsworte berichtete er im Xantener Dom eindrucksvoll vom Leben zwischen den Fronten. Im Gespräch und seinem neuen Buch schildert der in Stuttgart geborene Benediktinermönch viel von der Zerrissenheit im Heiligen Land.

Interview Pater Nikodemus Schnabel, Jerusalem: "Du musst ganz schön schmerzfrei sein"
Foto: Fischer Armin

Das Heilige Land, war das immer schon Ihr Traumziel?

Pater Nikodemus Schnabel Nein, aber in Jerusalem habe ich mein Ziel gefunden. Als Scheidungskind bin ich in der Jugend mit meiner Mutter, einer Schauspielerin, 14 Mal umgezogen. Höher, schneller, weiter, das waren früher meine Ziele. Dann habe ich im Theologiestudium, das ich mit dem Diplom abschließen wollte, ein Jahr in Jerusalem verbracht, bin dort an Morbus Bechterew erkrankt, war fast blind, meine Gelenke schwollen an. Und das war wie ein Aufruf, mich zu besinnen. Was machst du mit deinem Leben? Und was in dieser wunderbaren Stadt der Gegensätze? Die Antwort lag auf der Hand: Hier arbeiten, hier Gott suchen und hier alt werden. Als Benediktiner tritt man eben in ein bestimmtes Kloster ein und bleibt da.

Sie haben es nie bereut...

Pater Nikodemus Nie. Ich wollte erst Diözesanpriester werden und habe in Fulda studiert. Ich habe in München 2003 mein Diplom gemacht, bin dann Mönch in Jerusalem geworden. 2013 habe ich in Wien meinen Doktor gemacht und bin im selben Jahr zum Priester geweiht worden. Seitdem bin ich auch Auslandsseelsorger und zuständig für alle deutschsprachigen Christen in Israel und Palästina. Samstags feiere ich oft morgens eine Messe in Tel Aviv, am Abend eine Emmaus-Qubeibe in den Palästinsergebieten. Und dabei habe sich gelernt, dass das Leben, die Liebe, die Freude, das Leid, die Trauer auf beiden Seiten der Grenze dieselben sind. Politisch kommen beide Seiten aber nicht zueinander. Und du musst schon ganz schön schmerzfrei sein, wenn man als Mönchen auf der einen Straße um den Segen gebeten, auf der anderen Seite angespuckt wird.

Also ein Leben zwischen den Fronten.

Pater Nikodemus Ja und trotz allem ein faszinierendes. Unser Kloster liegt vor der Altstadt - genau im Niemandsland zwischen Ost- und Westjerusalem. Die Stadt lebt rundherum. Selbst in der Nacht ist es laut. Aber bei in den Klostermauern kannst du auch zur Ruhe kommen, beten, um Gott ringen und im nächsten Atemzug die Gäste durchschleusen. Für Diplomaten in Palästina ist bei uns Schluss. Und für solche aus Israel in umgekehrter Richtung auch. Hier übergeben sie uns ihre Gäste. Und das sind nicht wenige. Bundespräsident Joachim Gauck war hier, Ministerpräsident Stanislaus Tillich, Bundestagspräsident Norbert Lammert, immer wieder Bundestagsausschüsse. Dann wieder arbeiten wir mit Eltern aus Palästina und Israel, die ihre Söhne verloren haben, und gemeinsam mit behinderten Kindern. Da zeigt sich ganz schnell, dass es Verständnis auch untereinander geben kann. Ich bin nicht pro Palästina oder pro Israel, sondern pro Mensch.

Das schreiben Sie auch in ihrem lesenswerten Buch, in dem man ganz viel über Sie, ihre Aufgaben und das Heilige Land erfährt - auch dass es zum Beispiel in Gaza drei aktive Pfarren gibt.

Pater Nikodemus Vielen Dank für die Blumen. Ich habe versucht, das Leben möglicht hautnah abzubilden und hoffe, das ist gelungen. Leider habe ich von Xanten nur wenig sehen können. Aber zweimal im Jahr bin ich in Deutschland. Das lässt sich ja bei diesen Gelegenheiten vielleicht einmal nachholen.

HEINZ KÜHNEN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Das Buch: Nikodemus Schnabel: "Zuhause im Niemandsland: Mein Leben im Kloster zwischen Israel und Palästina", Herbig Verlagsgesellschaft München, ISBN 978-3-7766-2744-2, gebunden 20 Euro

(RP)
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