Xanten Ein Leben für die Kirchenmusik

Xanten · Fast ein Vierteljahrhundert lang hat Wolfgang Schwering als Kantor die Xantener Dommusik geprägt. Nun verabschiedet er sich in den Ruhestand. Vorher gibt es aber noch einmal ein großes Orgelkonzert. Der Dom begeistert ihn nach wie vor.

 Wolfgang Schwering vor "seiner Orgel". Ihr Klang könne sich bis unters Gewölbe entfalten. Das könne man hören und spüren.

Wolfgang Schwering vor "seiner Orgel". Ihr Klang könne sich bis unters Gewölbe entfalten. Das könne man hören und spüren.

Foto: Armin Fischer

Auf den 21. August freut er sich noch einmal richtig. An diesem Sonntag gibt es im Viktor-Dom ein großes Konzert - mit den Kollegen aus Xantens Partner-Städten Saintes und Salisbury wird Wolfgang Schwering einen Orgel-Nachmittag gestalten. Der letzte große Auftritt als Dom-Kantor, nach 24 Jahren.

Für Wolfgang Schwering war und ist die Stelle in Xanten ein Traum-Job. "Als die Stelle zum 1. August 1992 ausgeschrieben wurde, war ich sofort dabei", sagt der gebürtige Oberhausen-Osterfelder. Der Dom mit seiner freistehenden Orgel und der ganz besonderen Akustik begeistert ihn nach wie vor. Der Klang, so sagt er, könne sich bis unters Gewölbe frei entfalten. Das höre man und fühle es auch.

Ohne Musik kann sich der Familienvater sein Leben nicht vorstellen. Sie prägt auch seine Familie: Schwerings Frau Sigrid unterrichtet an der Dom-Musikschule Geige, die vier erwachsenen Kinder spielen allesamt Instrumente, Pauke, Querflöte, Kontrabass, Schlagzeug. Schwering selbst begann mit fünf Jahren mit Akkordeonunterricht. Mit neun kam die Blockflöte, dann empfahl der Lehrer dringend einen Umstieg aufs Klavier.

Das Instrument mussten sich die Eltern - der Vater war Kokereiarbeiter - fast vom Munde absparen. Der Lehrer aber hatte richtig gelegen: Mit zwölf Jahren spielte der Junge bereits Orgel, vertrat - damals noch ohne Fußeinsatz - den Kirchenmusiker bei Mai- und Rosenkranzandachten. Mit 13 war er auch sonntags an der Reihe - mit Pedalen. Und mit 15 vertrat er den Kantor drei Wochen lang in den Ferien. "Da bekam ich sagenhafte 50 Mark pro Woche", erzählt Schwering. Nach dem Abitur, Wolfgang Schwering hatte längst das C-Examen für nebenamtliche Kirchenmusiker und leitete einen Chor, war sein Weg vorgezeichnet: Mit Vaters Motorrad fuhr er an die Folkwang-Hochschule in Essen-Werden - studieren. Was? Natürlich Kirchenmusik.

Und dann, nach beruflichen Tätigkeiten in Oberhausen: Xanten. Eine Herausforderung hat Schwering das einmal genannt, weil die Orgel ohnehin ein unglaublich vielseitiges Instrument sei und in der Kirche der Verkündigung diene - nicht der Selbstdarstellung des Musikers. Da müsse man ein Händchen für die Gestaltung der Gottesdienste haben, festlich, feierlich, lang spielen können, aber auch schlank und kurz. "Manchmal merkst du, dass aus dem Kirchenschiff nichts zurückkommt. Manchmal bist du auch schlecht drauf. Das merken die Gläubigen."

Auch Konzerte gehörten in den Kirchenraum. Zehn bis zwölf gibt es im Durchschnitt im Jahr. Dafür sorgt der Förderkreis geistliche Musik. Außerdem leitet Schwering den Domchor, die Choralschola und seit neun Jahren "ad sanctos" mit neuerem Liedgut. Für das Bistum bildet er nebenberufliche Kirchenmusiker aus, ist Orgelsachberater für den Niederrhein - ein für die Gemeinden kostenloser Dienst, wenn das Instrument defekt ist oder gar eine neue Orgel her muss.

Damit ist jetzt Schluss. Sigrid und Wolfgang Schwering, der nach einem Flugzeugabsturz Pfingsten 2009 lange mit dem Tod gerungen hatte, zieht es wieder nach Oberhausen. Mit 63 Jahren möchte er die Freiheit haben, nicht immer ans Instrument zu müssen, aber immer auch mal wieder einspringen zu können, Konzerte zu geben, wenn er dazu eingeladen ist. Außerdem wünscht er sich Zeit, um seine Kinder auch einmal länger zu besuchen.

Und doch wird er es missen, "das Leben in einer Stadt mit einem ganz besonderen Charakter, einer besonderen Atmosphäre", sagt er. "Seine Orgel" und sein im Winter unglaublich zugiges Zuhause. Ein wunderschönes Haus direkt am Dom mit Stufen, Winkeln und Holzstiegen. Mit einem Wohnraum, dessen Wände mit Tuchbahnen bespannt sind, auf denen das Leben der Heiligen Viktor und Mauritius abgebildet ist - mit dem "Gesicht" Xantens aus der Bauzeit des Hauses: 1754.

Ganz von Xanten wird er nicht lassen. Seine Frau unterrichtet noch einen Tag in der Woche weiter an der Dommusikschule. In den Dom wird er auch hin und wieder kommen - und an die Abendstunden zurückdenken, wenn die Touristen das Gotteshaus verlassen haben, das Sonnenlicht durch die Fenster schien und er spielte und spielte und spielte . . .

(RP)
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