Xanten Erinnerungen an den Hof von Holland

Xanten · Die alte Gaststätte in Birten wurde nach zehnjährigem Leerstand abgerissen. Die hauseigenen Schnitzel, die Kartenspieler, rauschende Feste und die Pension bleiben aber in Köpfen - auch wenn jetzt Aldi dort einen Markt baut.

Es sind lauter schöne Erinnerungen an vergangene Zeiten, die in diesen Tagen aufkommen, wenn man in Unterbirten die Kreuzung der B57/L460 quert. Das Bild an der Kreuzung hat sich gewandelt. Stein um Stein ist mit dem Abriss der ehemaligen Gaststätte "Hof von Holland" ein Teil Birtener Geschichte gewichen. Trotzdem bleiben die kleinen und großen Anekdoten, die sich um das knapp hundert Jahre alte Gebäude ranken, im Gedächtnis:. Skatrunden in der Kneipe, das Siegesbier nach dem Fußballspiel, Übungsstätte des Tambourcorps oder Kirmes und Schützenfest im Saal - all das war seit 1932 eine Institution im Dorfleben.

Weit über die Grenzen von Birten hinaus sprach man über Gastronomie und Herberge im "Hof von Holland". Seit zehn Jahren standen Kneipe, Bistro und Saal leer. Auch die Scheunen und die Lagerhalle wurden nicht mehr genutzt. Bereits in naher Zukunft wird an dieser Stelle ein knapp 800 Quadratmeter großer Aldi-Markt eröffnen, der die Nahversorgung im Xantener Ortsteil sichern soll. Für die Geschwister Ute, Bruno und Jochen Hesseling sowie Petra Engeln (geborene Hesseling) ist es ihr Elternhaus, das durch die Bagger verschwunden ist.

Ihre Großeltern Luise und Engelbert Peuten erwarben 1932 das Gebäude und den Hof. Sie bauten voller Herzblut die Gaststätte und den landwirtschaftlichen Betrieb auf. Später übernahmen Tochter Balbine und Schwiegersohn Hans Hesseling die Gastronomie, den Gemüseanbau und die Viehzucht. 1955 wurde das Gebäude um Wohnräume und Fremdenzimmer aufgestockt und bekam so das Aussehen, das bis vor wenigen Wochen an der B57 stand. Aus dieser Zeit stammt auch Name "Hof von Holland", der sich bis heute gehalten hat. Fernfahrer aus den Niederlanden waren Stammgäste. Nach einer langen Fahrt freuten sich die Reisenden auf ein warmes Bett und die allabendlichen niederrheinischen Bratkartoffeln mit hauseigenem Schnitzel.

Aus Erzählungen und der frühen Kindheit erinnert sich auch Jochen Hesseling, bis 2004 Wirt der Kneipe, an diese Zeit zurück. Die Kirmes 1961 ist in besonderer Erinnerung geblieben. Obwohl tags zuvor noch die Scheune im Hinterhof lichterloh abgebrannt war, schwang die Dorfgemeinschaft im Saal munter das Tanzbein. "Die Leute haben gefeiert, als wenn es kein Morgen gäbe", erzählt Hesseling von der Birtener Feierwütigkeit.

Diese erlebte in den späten 60er und frühen 70er Jahren ihren Höhepunkt. In dieser Zeit war fast jedes Wochenende das Studio Live, die größte Disco am Niederrhein, mit prominenten Besuchern wie Howard Carpendale, Roberto Blanco und der Rockband Golden Earing zu Gast. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Saal zum Dreh- und Angelpunkt weiterer Großveranstaltungen. Das Winterfest, die Büttensitzung des Sportvereins sowie der Preiskostümball zu Karneval gehörten zu diesen Höhepunkten, die sich im gesamten Umkreis einen Namen gemacht hatten. Deshalb war neben Showmaster Rudi Carrell und der Schalker Legende Charly Neumann auch schon viele andere Prominente im Dorf am Altrhein zu Gast. "Der Saal war eine lange Zeit der Mittelpunkt der Birtener Festivitäten", bestätigt Petra Engeln, die im Hof von Holland ihre Kindheit und Jugend verbracht hat.

Aber auch im alltäglichen Leben sah man sich bei "Peuten" am Tresen zum Feierabendbier. In der Ecke wurde am Tisch Karten gespielt, während nebenan die erste Birtener Tanztruppe, das "Matschkontenballett", fleißig seine Übungsstunden abhielt. Die Fußballer der Viktoria freuten sich nach dem Trainings- und Spielbetrieb auf selbst gemachte Pommes im Vereinslokal. An diese Jahre hat besonders die ältere Generation aus Birten viele Erinnerungen. Für die Jüngeren ist Hof von Holland aber ebenfalls kein Begriff aus vergangener Zeit. Bis zum Sommer warteten die Kinder auf dem Parkplatz auf den Schulbus. Mit einer großen Party, die lange nach der Schließung der Kneipe 2004 stattfand, kam auch die Jugend in den Genuss der Atmosphäre im Hof von Holland. 2009 wurde der Saal bei der "Vorabi"-Feier der Xantener Abiturienten ein letztes Mal zum Leben erweckt.

Nun existiert der "Hof von Holland" nur noch auf Bildern. Die fröhlichen vielleicht auch traurigen Geschichten der Gaststätte werden aber wohl nicht verloren gehen. Sie bleiben in den Köpfen lebendig.

Haben sie noch Erinnerungsfotos von Veranstaltungen aus dem Hof von Holland? Stellen Sie uns die Bilder bitte leihweise zur Verfügung: niederrhein@rheinische-post.de, Tel. 02801 714131.

(sfk)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort