Niederrhein voller Energie Gaslaternen sorgen für Licht in der Stadt

Xanten · Die Geschichte der Energieversorgung in der Region begann mit der Möglichkeit, aus Kohle Gas zu erzeugen. Am 13. November 1873 ging die erste Gaslaterne in der Moerser Innenstadt in Betrieb. 1894 wurden eigene Stadtwerke gegründet.

 In Moers erinnern noch sechs Gaslaternen an die Anfangszeit. Seit den 50er-Jahren stehen sie vor dem Schloss. Peter Kox von der Enni hält sie in Schuss.

In Moers erinnern noch sechs Gaslaternen an die Anfangszeit. Seit den 50er-Jahren stehen sie vor dem Schloss. Peter Kox von der Enni hält sie in Schuss.

Foto: privat

London war vor gut 200 Jahren der Vorreiter gewesen. 1808 brannten auf den Straßen der britischen Hauptstadt die ersten Gaslaternen. In Deutschland gingen die ersten Leuchten der Industrialisierung 1825 in Hannover und 1826 in Berlin in Betrieb. Mitte des 19. Jahrhunderts waren 100 deutsche Städte an eine Gasversorgung angeschlossen, meistens größere. So stellten mehrere Moerser im Februar 1873 einen Antrag an den Rat auf "Einführung von Gasbeleuchtung".

Schließlich wollten sie an der Industrialisierung teilhaben, die sich auch am linken Niederrhein abzeichnete. Hatte doch Franz Haniel 1857 begonnen, in Homberg einen Schacht abteufen zu lassen, um Kohle zu fördern, selbst wenn dort erst 27 Jahre später das erste schwarze Gold ans Tageslicht kam. Die Antragsteller wollten das Licht in ihren Häusern nicht mehr durch das Verbrennen von Petroleum, sondern von Stadtgas erzeugen, das vor allem aus Wasserstoff, Methangas und Kohlenstoffmonoxid bestand. Es trug auch den Namen Leuchtgas.

 Die Moerser Gasanstalt ging um 1881 auf dem Gelände an der Uerdinger Straße in Betrieb, auf dem sich heute die Enni-Zentrale befindet. Dort wurde aus Kohle Koks und Gas gewonnen.

Die Moerser Gasanstalt ging um 1881 auf dem Gelände an der Uerdinger Straße in Betrieb, auf dem sich heute die Enni-Zentrale befindet. Dort wurde aus Kohle Koks und Gas gewonnen.

Foto: privat

Der Rat beraumte eine Sondersitzung an, um den Antrag zu beraten. Da er zu keinem Ergebnis kam, beauftragte er eine fünfköpfige Kommission mit der weiteren Prüfung. Die Kommission verhandelte mit der Rheinischen Wasserwerks-Gesellschaft in Köln, die ein Vertragsangebot vorlegte. Dieses wurde vom Rat mit leichten Änderungen angenommen. So ging am 13. November 1873 die erste Gaslaterne in der Moerser Innenstadt in Betrieb. Zwei Monate später stand die Beleuchtung der Rathausräume an, wobei die finanzielle Belastung zu heftigen Debatten führte. Immerhin sollte die Investition die Stadtkasse mit 150 Reichstalern belasten.

Kaufte die Rheinische Wasserwerks-Gesellschaft das Stadtgas zunächst wohl bei der Spinnerei Wilhelm Schroeder dazu, begann sie schnell, eine eigene Gasanstalt zu planen und zu bauen. Diese ging um 1881 auf dem Gelände an der Uerdinger Straße in Betrieb, auf dem sich heute die Enni-Zentrale befindet. Dort wurde aus Kohle Koks und Gas gewonnen, ähnlich wie in einer Kokerei - nur unter Luftabschluss. Das Stadtgas wurde gereinigt, in einem großen Gasbehälter zwischengespeichert und über Gasleitungen zu 87 Abnehmern in der Moerser Innenstadt geliefert.

Diese Zahl stieg rasch an, als die Stadt Moers 1894 die Gasanstalt kaufte und am 15. August 1894 ihre eigenen Stadtwerke gründete, die später zur Keimzelle von Enni werden sollten. Nach der Übernahme verdoppelte sich die Zahl der Abnehmer innerhalb von zwei Jahren auf 200. Sie verwendeten das Stadtgas zum Beispiel für das Licht, das über ein Gasstrümpfchen angezündet wurde, für den Herd oder für eine Gasheizung. 1930 wurde Moers an ein Ferngasnetz angeschlossen und die eigene Gasproduktion aufgegeben. Damals schien die große Zeit des Gases Geschichte zu sein.

Die Moerser Stadtwerke hatten 1961 nach 88 Jahren Gasversorgung Zweifel an der weiteren Entwicklung: Man müsse schauen, wie sich das neue hochwertige Erdgas auf die Nachfrage auswirke. Zudem hatte ab 1905 der Strom seinen Siegeszug am linken Niederrhein angetreten. Zudem kam in den 50er und 60er Jahren die Konkurrenz durch das Erdöl. Erst die Ölkrise von 1973 brachte die Wende sowie 1978 die Umstellung auf das saubere Erdgas. Gas erlebte in den letzten Jahren eine Renaissance, weil sich mit diesem Brennstoff Wärme mit weniger Kohlendioxidemission als zum Beispiel mit Erdöl herstellen lässt. Immer mehr Häuser werden ans Gasnetz angeschlossen.

Eigentlich ist das Licht der Gaslaternen längst vergessen. In Moers erinnern aber noch sechs Gaslaternen an die Anfangszeit. Seit den 50er Jahren stehen sie vor dem Schloss. Sie wurden in den 80ern erneuert und auf den aktuellen technischen Stand gebracht. Bis heute sind sie in Betrieb. Um ihre Wartung, Reinigung und Erdgasversorgung kümmert sich Enni - und das ist gar nicht mehr so einfach: "Die Strümpfe, in denen das Gas verbrennt und so Licht erzeugt, müssen wir inzwischen in Indien bestellen, weil es keinen deutschen Hersteller mehr gibt", erklärt Peter Kox, bei Enni zuständig für die historischen Leuchten.

Regelmäßig müssen die Technik und die Glaskuppeln gereinigt werden. "Zuletzt haben wir sie vor der Wiedereröffnung des Schlosses picobello saubergemacht", so Peter Kox. Abends mit einer langen Stange einschalten muss er die Laternen aber nicht mehr. Das erledigt heutzutage ein Lichtsensor.

(got)
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