Jürgen Köpp "Gesundes Essen muss nicht teuer sein"

Xanten · Vor 22 Jahren hat sich Jürgen Köpp in seinem Landhaus einen Michelin-Stern erkocht. Und den hält er seit dieser Zeit. Im Interview spricht der Gourmetkoch über die Einfachheit von gutem Essen und die regionale Küche.

Jürgen Köpp: "Gesundes Essen muss nicht teuer sein"
Foto: Fischer, Armin

Herr Köpp, nach welchem Gericht schmeckt Ihre Kindheit?

Jürgen Köpp Es ist weniger ein bestimmtes Gericht als vielmehr der Geschmack von frischen Zutaten. Bei uns gab es immer eine gut bürgerliche Küche. Deftig, aber lecker. Meine Mutter betrieb eine Gastwirtschaft. Es wurde also mit Sachen gekocht, die frisch aus der Region kamen. Die Karotte, die noch nach Karotte schmeckt. Das halte ich ohnehin für wichtig: Dass vor allem Kinder wissen, wie frisches Gemüse schmecken kann. Wer weiß, wie ein Produkt zu schmecken hat, achtet später mehr auf die Qualität.

Immer wieder ereignen sich Nahrungsmittel-Skandale an den Supermarkt-Theken. Sind regionale Produkte denn wirklich besser?

Köpp Das hängt immer davon ab, wie der Erzeuger mit den Waren umgeht. Viele regionale Hersteller achten darauf besonders. Es ist wie beim Wein: Wenn Sie einen guten Winzer haben, der voll hinter seinem Produkt steht, bekommen sie beispielsweise einen tollen Riesling. Qualität setzt sich auf Dauer durch.

Kaufen Sie nur regional ein?

Köpp Ja. Wir bekommen in der Sternekategorie sowieso viel geliefert. Unser Fisch kommt aus Holland, das Gemüse aus der Region. Die Produkte müssen einfach eins a sein.

Die Gesellschaft für Konsumforschung hat ermittelt, dass es immer mehr Kochlegastheniker gibt. Woran liegt das?

Köpp Viele Leute haben Stress und einfach nicht mehr die Zeit, richtig zu kochen. Ich merke aber in meinen Kochkursen, dass es ein Umdenken gibt. Viele unserer Besucher holen sich bei mir Tipps und kochen dann am Sonntag in Ruhe für die Familie. Das entspannt sie. Essen ist immer kommunikativ. Früher haben die Menschen in den Küchen zusammengesessen. Die Küche war beim Essen der zentrale Mittelpunkt. Das kommt ein bisschen zurück.

Was sind einfache Tricks, wie man das Essen zu Hause aufwerten kann?

Köpp Beispiel Kartoffelpüree. Kartoffeln immer weich kochen, Wasser abgießen, danach die Kartoffeln trocken dämpfen. Anschließend zweimal durch die Quetsche drücken und dann kalte Sahne und kalte Butter dazugeben. Dann emulgiert die Kartoffel, sie geht also mit der Sahne und der Butter eine Bindung ein. Salz und Muskat dazu und Sie haben ein super Kartoffelpüree. Dann können Sie noch mit Aromaträgern arbeiten wie eingekochte Orangen und frische Kräuter.

Bitte noch einen Tipp.

Köpp Gerne. Auch Wirsing können Sie schnell aufwerten, in dem Sie die abgekochten Blätter mit Butter, Muskat, Salz und Senf verfeinern. So haben Sie schnell und kostengünstig ein edles Produkt. Selbstgemachte Nudeln mit Kräutern in gekochtem Orangensaft geschwenkt schmecken auch super. Es muss nicht immer teuer sein.

Bei welchen Produkten merkt man Qualitätsunterschiede besonders?

Köpp Man muss zum Beispiel bei Tomaten und Gurken aufpassen. Beide dürfen nicht zu wässrig schmecken. Gleiches gilt für Äpfel. Es muss auch nicht immer ein teurer Fisch sein. Man sollte aber darauf achten, dass die Fische klare Augen haben, die Kiemen sollten rot sein, bei der Druckprobe muss das Gewebe sofort wieder rauskommen und der Fisch darf nicht nach Fisch riechen. Ansonsten sind bereits Zersetzungen von Eiweißen im Gange.

Eiweiße, Emulsion - wie viel chemisches Wissen gehört zu einem Sternekoch dazu?

Köpp In den Spitzenläden, in denen ich früher gearbeitet habe, habe ich unweigerlich viele harmonische Zusammenhänge gelernt. Also warum gerade die kalte Sahne und Butter zum heißen Kartoffelpüree? Weil nur so eine gute Bindung entsteht.

Ist Ihre Küche immer gesund?

Köpp Auf jeden Fall. Allein die Frische unserer Produkte und die Ausgewogenheit zwischen Fleisch, Fisch und Gemüse sind super fürs Immunsystem.

Was halten Sie von Multifunktionsmaschinen wie dem Thermomix?

Köpp Das ist eine gute Sache. Für viele Leute kann das eine Erleichterung beim Kochen sein.

Aber geht so nicht die Experimentierfreude verloren?

Köpp Nein, das muss nicht. Wichtig ist, dass man weiß, wie gehe ich mit dem jeweiligen Produkt um.

Welche Lebensmittel lassen sich gut einfrieren?

Köpp Eigentlich viele. Wichtig ist, dass sie langsam aufgetaut werden, am besten im Kühlschrank. Wenn man gefrorenes Fleisch in die heiße Pfanne schmeißt, platzen die Eiweiße auf und der Saft geht verloren.

Sie haben seit 22 Jahren einen Michelin-Stern. Wie hält man solch ein Niveau?

Köpp Nur durch Kontinuität und Disziplin. Jeden Tag selber im Betrieb sein, jeden Tag mithelfen, jeden Tag Gas geben. Der Stern ist ja auch für uns wichtig, schließlich bringt er viele Gäste.

Möchten Sie gerne einen zweiten?

Köpp Also derzeit bin ich ganz glücklich, wenn wir den einen Stern halten dürfen (lacht).

Wie geht es dem Nachwuchs der Sterneköche?

Köpp Wir haben sehr gute engagierte Leute. Wir müssen denen nur immer sagen, welche Vor- und Nachteile es in so einer Küche gibt. Am Wochenende zu arbeiten, liegt nicht jedem. Da muss man voll dahinterstehen. Aber die meisten wissen, wofür das gut ist, was sie hier tun. Sie wissen, wenn sie bei uns weggehen, stehen ihnen alle Türen offen.

Essen Sie als Gourmetkoch auch mal Currywurst mit Pommes?

Köpp Wenn die Stimmung danach ist, wieso denn nicht? Mir geht es aber meist um den schönen Abend. Essen ist schließlich Kultur.

DAS INTERVIEW FÜHRTE PHILIPP JACOBS

(RP)
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