Xanten Handwerksmeister geben immer mehr Bewerbern um einen Ausbildungsplatz schlechte Noten.

Xanten · Schule – und dann? Gerade erst hat der Berufsausbildungsbericht einem gehörigen Teil der Schulabgänger bescheinigt, dass er für eine Lehre nicht infrage kommt.

Schule — und dann? Gerade erst hat der Berufsausbildungsbericht einem gehörigen Teil der Schulabgänger bescheinigt, dass er für eine Lehre nicht infrage kommt.

Zumindest müsse erst ein ergänzender Grundausbildungskurs zwischengeschoben werden. Eine Zeitlang galt dies eher als ein Problem von Großstädten. Doch diese Zeiten sind am Niederrhein vorbei. "Es gibt auch hier leider zunehmend Schulabgänger, die nicht richtig lesen und schreiben können", sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wesel, Josef Lettgen.

Fehler in der Familie

Den Lehrern sei kein Vorwurf zu machen. Die Familien ständen meist nicht hinter den jungen Leuten. Dabei würden die Tätigkeiten immer anspruchsvoller, die Technik immer komplizierter. Deshalb schalteten zum Beispiel in Maler- und die Elektroinnung inzwischen verpflichtende Einstufungstests vor. Und die IKK biete den Betrieben Castings an. Lettgen: "Gesungen wird nicht, aber gesiebt."

Natürlich: Hunderte von Ausbildungsverträgen werden pro Jahr allein im Kreis Wesel unterschrieben, sagt Lettgen. Und es gebe Hunderte von guten Auszubildenden. Gleichzeitig kämen aber unglaublich viele Schulabgänger, denen jedes Gefühl zum Beispiel für Maßeinheiten fehlt, bestätigt Günter Schnickers vom gleichnamigen Autohaus in Xanten. Früher seien die Grundrechenarten so lange gepaukt worden, bis sie saßen.

Heute patzten manche Schüler schon bei der Lösung der Aufgabe 9 mal 9. Unter den 20 bis 30 Bewerbungen, die ihm jährlich auf den Tisch flatterten, hätten die von jungen Leuten mit schlechten Zeugnisnoten in den Kernfächern kaum eine Chance. Was dem Unternehmer noch mehr aufstößt, ist die mangelnde Beziehung vieler junger Leute zu Schule und Arbeit. "Das Leben besteht eben nicht allein aus Freizeit", sagt der 58-Jährige. Vielen gingen Grundbegriffe wie Verbindlichkeit, Pünktlichkeit, Kritikfähigkeit, Respekt, Form und Umgang ab. Das sei sicher oft eine Frage des mangelnden Vorbildes im Elternhaus. "Im Berufsleben sind junge Leute ohne all diese Fähigkeiten aber nicht zu gebrauchen."

Mit grundlegenden Defiziten der Bewerber muss auch Dirk Rosentreter kämpfen. Der Geschäftsführer der Bäckerei Tebart gibt Schülern mit ausreichenden und schlechteren Noten in Mathematik und Deutsch keine Chance. "Ohne einen Mathematiktest läuft aber in unserem Handwerk auch für die anderen nichts mehr", sagt der Chef von 48 Angestellten. "Warum sich mache Schüler bei uns bewerben, bleibt mir ohnehin ein Rätsel", sagt Rosentreter. "Wer nicht morgens um zwei Uhr antreten will, wer freitagabends nicht auf den Discobesuch verzichten will, wer nicht begreift, dass auch samstags, sonntags gearbeitet werden muss, der ist hier falsch."

Wer nicht messen kann, fällt durch

Noten und das Vorstellungsgespräch zählen auch im Garten- und Landschaftsbau. Vor allem müsse zwar handwerkliches Geschick vorhanden sein, sagt Bettina Rheker. "Das stellen wir meist bei Praktika fest." Ohne rechnerische Grundbegriffe komme aber niemand weiter: "Wer nicht messen und Quadrat- nicht von Kubikmeter unterscheiden kann, der fällt durch."

Mit einer Mathe-Vier, so berichtet ebenfalls Theo Geenen, habe niemand etwas im Schlosserhandwerk verloren. Nicht wegen der mangelnden schulischen Nachweises (Geenen plädiert da schon für mehr Einpauken), sondern weil die Note offenbare, "dass offensichtlich Zusammenhänge nicht erkannt werden". Oft gehe das damit einher, dass die Schüler Schule als lästige Nebensache ansähen: "Im Beruf ist solch eine Einstellung tödlich." Im übrigen seien es zwei Zeugnisnoten, die viel über Menschen aussagen: Die Sportnote: "Wer sich nicht bewegen kann, ist auch unbeweglich im Geist." Und die Geografienote: "Wer Ordnungssysteme erkennt, der findet auch die Schrauben im Regal." Aber bei allem Ärger: "Es gibt Gott sei Dank noch ganz viele, die sie finden."

(RP)
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