Zum Sonntag Hinter die Etiketten schauen

Xanten · Wie bin ich wirklich? Bin ich der, der ich vorgebe zu sein? Pfarrer i.R. Wolfgang Derix ruft zu Selbstkritik auf.

Zum Sonntag: Hinter die Etiketten schauen
Foto: Fischer Armin

Ist drin, was draufsteht? Ein armer Student sah in einem Schaufenster ein Schild hängen, auf dem zu lesen stand: "Hier wird Wäsche gewaschen." So packte er die in seiner Studentenbude reichlich vorhandene, schmutzige Wäsche in einen Korb und ging zum Geschäft, wo er das Schild gesehen hatte: "Hier wird Wäsche gewaschen." Die Frau an der Ladentheke erklärte, er habe sich geirrt, bei ihnen würde keine Wäsche gewaschen. Aber es stehe doch auf dem Schild im Schaufenster, sagte der Student. Das bestätigte die Frau. Doch in ihrem Geschäft würden nur Schilder verkauft, so auch dieses Schild. Da zog der Student enttäuscht mit seinem Korb ungewaschener Wäsche durch die Straßen Kopenhagens in seine Studentenbude zurück. Die Geschichte stammt von dem Philosophen Sören Kierkegaard, der vor über 100 Jahren in Kopenhagen gelebt hat. Kierkegaard hat damit die Kirchen kritisiert. Kirchen, in denen Schilder verkauft werden, in denen aber nicht zu bekommen ist, was auf den Schildern steht. So wie Freiheit, Vergebung und Barmherzigkeit. Sind das nur Schilder, hinter denen keine Wirklichkeit zu finden ist? Man kriegt schnell Beifall, wenn man Kirchen kritisiert. In diese Falle tappe ich heute nicht, es ist eh oft nur ein Trick, Probleme auf andere abzuschieben. Viel lieber möchte ich persönlich fragen: Was steht auf mir drauf? Ist drinnen, was draufsteht? Wenn bei mir Christ drauf teht, ist dann Christus drin? Auch Nichtchristen haben meist eine Botschaft. Zum Beispiel Gerechtigkeit, Fairness, Menschenrechte. Alles nur Schilder? Oder steckt etwas dahinter? Überlegen Sie doch mal: Was steht auf mir drauf? Ist da auch drin, was draufsteht?

UNSER AUTOR WOLFGANG DERIX IST EHEMALIGER PFARRER VON ST. MARIAE HIMMELFAHRT MARIENBAUM.

(RP)
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