Xanten Identität: Ein fesselndes Kunstprojekt

Xanten · Im Dreigiebelhaus wurde gestern eine Ausstellung mit Werken aus einem Projekt der Europaklasse am Stiftsgymnasium eröffnet.

 Im Dreigiebelhaus zeigen (v.l.) Lisa Irle und Damaris Wilke und die Europaschülerinnen Lana Popivoda und Celina Isermann Werke unter dem Titel "Artificial Identities".

Im Dreigiebelhaus zeigen (v.l.) Lisa Irle und Damaris Wilke und die Europaschülerinnen Lana Popivoda und Celina Isermann Werke unter dem Titel "Artificial Identities".

Foto: Olaf Ostermann

Ein Tryptychon in Schwarz: gefesselte Hände, gefesselte Körper, Puppen, in ihre Einzelteile zerlegt und mit Gaze überzogen. Ebenfalls schwarz. Dem Betrachter der getern im Dreigiebelhaus eröffneten Ausstellung Europeans@Stiftsgymnasiums fällt das Meer ein, in dem Flüchtlinge ertrinken. Merle Neugebauer, die das großflächige Werk gemeinsam mit Lia Bernhauser schuf, will über den Hintergrund keine Auskunft und den drei Bildern auch keinen Titel geben. Jeder, so sagt die Zehntklässlerin (Einführungsphase) müsse sich selbst damit auseinendersetzen. Das dürfe und solle eben auch zu unterschiedlichen Auffassungen führen. Je halt nach Hintergrund der eigenen Identität eben.

Identität ist denn auch das Stichwort: Seit Beginn des Schuljahres hat sich die Europaklasse des Xantener Stiftsgymnasium begleitet von ihrem Kunstlehrer Fabian Bohrmann eben mit dem Thema befasst und es auf künstlerische Weise umgesetzt. Zweimal 60 Minuten wöchentlich im Unterricht und selbst in der Freizeit, wie Merle Neugebauer erzählt.

Das Thema fesselt im wahrsten Sinne des Wortes, wie auch die zahlreichen Gäste der Eröffnung der Ausstellung mit mit dem Titel "Artificial Identities" erfahren haben. Die 15 und 16 Jahre alten Jugendlichen aus ganz Europa, der Türkei, USA und Palästina zeigten Ergebnisse des Projektunterrichts in Kleingruppen, die in ihrer Vielfalt überraschen. Neben einer Installation zur Körperproblematik wird die die Konstruiertheit oder eben das Künst(leris)che in Stillleben, Landschafts- und Porträtfotografien, Videokunst, Acrylmalerei, Cartoonzeichnungen und sogar Daumenkinos untersucht. Den meisten ausländischen Schülern war ein solcher schöpferischer Kunstunterricht völlig unbekannt. Nina Petricevic zum Beispiel, die mit Merle Neugebauer in die Ausstellung einführte, berichtete über den Unterricht bisher fast ausschließlich in Kunstgeschichte in ihrer Heimat Montenegro. Fabian Bohlmann hingegen wollte den Unterricht, der auf Englisch erteilt wird, bewusst offen gestalten. "Das für alle Naheliegende", so der Kunstlehrer, "war zunächst einmal auch die sogenannte Flüchtlingskrise. In der Klasse wurde erst geredet, diskutiert, wurden Informationen eingeholt. Und während sich dann einige Schüler auf die Straße wagten, um den Begriff Identität und seine Bedeutung für die Menschen in der Region zu erfragen, zogen andere mit Kameras und Smartphones los, um die Identität ihrer Nachbarschaft an einem regnerischen Nachmittag oder am Morgen nach dem ersten Schnee zu beleuchten, erklärt die Italienerin Martina Cavallanti. So entstanden Fotografien und auch Zeichnungen wie die von Sahin Murat Kocar aus der Türkei, der das Thema als anwachsenden Vulkan darstellte.

Wie dieses Projekt fesselte, zeigt auch, dass die Gastschüler in ihren Weihnachtsferien daheim das serielle und konzeptionelle Fotografieren forsetzten. "Die Besucher der Ausstellung werden so auch mit Gegenüberstellungen von europäischen und regionalen Landschaften und Kulturen konfrontiert", freut sich Kunstlehrer Bohlmann, dessen Schüler die Betrachter auch mit Videoclips mit Tänzen, Masken und gezielter Gestik und einer roten Rose herausfordern. Bohlmann übersetzt: "Ist Identität etwas räumliches, abstraktes, gefühlsmäßiges, wandelbares oder nur eine Frage der Perspektive?

Und, so darf hinzugefügt werden: Was gehört wiederum zur Identität eines Künstlers? Darauf weiß dann Hausherr Michael Blaszczyk vom Verein Stadtkultur Xanten eine Antwort. Er bietet nach Schülerinnen der Marienrealschule und Studenten der Hochschule Rhein-Waal im dritten Jahr seines Projekts "Working Gallery" den Gymnasiasten die Chance, mit Kunst umzugehen. "Dazu, so der Künstler, "gehört natürlich der Entstehungsprozess, die Arbeit am Werk." Aber dazu gehöre auch ganz wichtig etwas, was Schulunterricht nicht vermitteln kann: "die Präsentation, das sich und seine Werke Verkaufen".

(RP)
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