Xanten Immer mehr Martinstüten für Senioren

Xanten · Der demografische Wandel wirkt sich auch auf das Brauchtum aus. In einigen Sammelbezirken leben bereits mehr älter Bürger als Kinder. Das hat Konsequenzen für die Organisatoren von Sammlungen und Zügen.

 Über das Geschenk zu St. Martin freut sich Johann Janßen (links), 79 Jahre alt, genauso wie der achtjährige Rajvir Grewal Singh. Die Leckereien übergaben Silvia Hackstein und Friedhelm Rosin vom Martinskomitee Bönninghardt.

Über das Geschenk zu St. Martin freut sich Johann Janßen (links), 79 Jahre alt, genauso wie der achtjährige Rajvir Grewal Singh. Die Leckereien übergaben Silvia Hackstein und Friedhelm Rosin vom Martinskomitee Bönninghardt.

Foto: Fischer, Armin

"Sent Martin ess nouw all werr door — loppt Kinder loppt!" Die heute im Seniorenalter angekommenen waschechten Niederrheiner summen dieses alte Traditions-Lied an St. Martin in wehmütiger Erinnerung noch mit, wenn die Steppkes mit ihren Laternen singend an ihren Häusern vorbei ziehen. Die den plattdeutschen Text singen, verstehen ihn oft gar nicht mehr — egal; es gibt ja auch noch "St. Martin ritt durch Schnee und Wind." oder "Laterne.." Nicht nur diese Weisen ändern sich — auch der demografische Wandel macht sich bei St. Martin bemerkbar. Generell steht der geringer werdenden Kinderzahl eine immer höhere Lebenserwartung der Senioren gegenüber, wie die Tüten-Quoten ausweisen, denn die Zahl der von St. Martin beschenkten älteren Mitbürger über 70 oder 75 Jahren nimmt stark zu.

So haben Sammler von Haus zu Haus und Tütenfüller alle Hände voll zu tun. In Sonsbeck sind es 70 Ehrenamtler, die dann 1150 Tüten füllen, davon 390 für über 75-Jährige — dazu kommen 35 "Ehrentüten" (Pikkolo, Kaffee) für über 90-Jährige, zusätzlich für Dauerkranke, Lehrer, Feuerwehr. 580 Kinder bis einschließlich 4. Schuljahr erhalten eine Tüte. In zwanzig Sammelbezirken ist das Verhältnis Senioren/Kinder schon "gekippt".

In Neubau-Gebieten wie "Im Dombogen", wo die Lüttinger Sammler jetzt schon 39 Kinder zählten, ist die Tendenz noch "jugendlich". Zwar beschenkt auch im Fischerdorf der heilige Mann schon 188 Ältere ab 75, aber auch 620 Kinder (2011 waren es 584). Dafür sind 28 Sammler und der Vorstand der St.-Pantaleon-Schützenbruderschaft im Einsatz — koordiniert von Dietmar Frerix.

In Bönninghardt, wo aufgrund vieler zugezogener junger Familien in diesem Jahr 30 Kindertüten mehr als 2011 gefüllt werden, hält Friedhelm Rosin seit Jahrzehnten die Organisations-Fäden in der Hand. Senioren, die das 75. Lebensjahr vollendet haben, erhalten hier einen großen Weckmann mit Schleife. Das Martinskomitee Bönninghardt hat sich vor Jahren schon mit dem Thema befasst und das Seniorenalter auf 75 Jahren hochgestuft. Senioren erhalten seitdem einen großen Weckmann als Anerkennung. (Der Inhalt der Martinstüte wurde zudem auf eine bestimmte Summe begrenzt. Der Überschuss wird für die Kinderkirmes Bönninghardt verwendet beziehungsweise in den ersten Jahren an die Kinderkrebshilfe in Krefeld und Essen oder direkt an betroffene Kinder gespendet.

So wie in Sonsbeck den Kindern immer wieder die Mantelteilung als St. Martins "gute Tat" vor Augen geführt wird, führen in Marienbaum die Kinder selbst das Martinsspiel auf, ehe der Heilige Mann die Mantelhälfte zum Bettler herunter reicht. Von der Geburt bis zum 4. Schuljahr werden ziemlich konstant 265 Kinder beschenkt — dazu 155 Senioren ab 75. In Birten ist die Kinderzahl vom Säugling bis zum vollendeten 14. Lebensjahr auf 280 gesunken. 178 ältere Bürger ab 70 Jahre und Kranke (steigende Anzahl) werden beschenkt, nachdem Martin zunächst als Soldat vorreitet und sich nach Verlesen der Geschichte zum Bischof um gekleidet hat.

(RP)
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