Xanten Leon darf nicht mit in die Ferienfreizeit

Xanten · INI lehnt die Teilnahme nach 13 Jahren ab, da sie keine qualifizierten Fachkräfte für die sehr spezielle Betreuung habe.

 Leon Marvin (20) mit seinen Eltern Gabi und Frank Mänß, links neben ihm sein Bruder Shane Leroy (11), rechts Liam Tyler (8).

Leon Marvin (20) mit seinen Eltern Gabi und Frank Mänß, links neben ihm sein Bruder Shane Leroy (11), rechts Liam Tyler (8).

Foto: Fischer

Gabi Mänß versteht die Welt nicht mehr: 13 Jahre lang konnte ihr schwerstbehinderter Sohn Leon jedes Jahr in den Sommerferien mit der Initiative Integratives Leben (INI) aus Sonsbeck und 49 weiteren Mädchen und Jungen mit schweren körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen zwei Wochen lang Urlaub auf Schloss Dankern machen - auf einmal geht das nicht mehr. Und das, obwohl die INI noch am 11. Januar zugesagt hatte, dass sie Leon auch dieses Jahr wieder mitnimmt. Sechs Wochen später die Kehrtwende, und die nur fernmündlich: "Sorry, Ihr Sohn kann doch nicht mit fahren."

Leon hat das ATRX-Syndrom, ein seltener Gen-Defekt, der nur von der Mutter auf das Kind übertragen werden kann und an dem weltweit nur etwa 200 Kinder erkrankt sind. Nach Leon hat die 49-Jährige noch zwei gesunde Jungen Shane (11) und Liam (8) zur Welt gebracht. Und wie ihre Mutter und ihr Vater Frank Mänß sind auch die beiden Brüder empört und traurig zugleich.

Sie lieben ihren großen Bruder, der im Rollstuhl sitzt, oft krampft, blind ist, nicht sprechen, nicht alleine sitzen, nicht laufen kann und der seit einer Operation an der Speiseröhre seit sechs Jahren auch nicht mehr essen kann, sondern über eine Magensonde ernährt wird. Natürlich müssen die beiden oft zurückstecken, weil ihre Mutter viel Zeit für Leon aufwenden muss. Shane und Liam hatten sich schon so gefreut, dass sie in den ersten beiden Ferien-Wochen ihre Mama endlich einmal für sich haben, spontan zu dritt ins Schwimmbad fahren oder den Irrgarten oder einen Freizeitpark besuchen können.

Denn einfach mal spontan die Jungen ins Auto packen und irgendwo hinfahren kann Gabi Mänß nicht. Sie ist ans Haus gebunden. Leon muss rund um die Uhr betreut und versorgt, gewickelt, alle sechs Stunden an die Nahrungsflasche angeschlossen werden.

Gründe, warum ihr Ältester von jetzt auf gleich nicht mehr mitfahren kann, wurden Gabi Mänß in dem Telefonat nicht genannt. Mehrfach habe sie vergeblich versucht, Rouven Rieger, seit Januar Geschäftsführer der INI Sonsbeck, an die Strippe zu bekommen. Schließlich hat sich die Mutter eine Anwältin genommen.

Auf deren Brief vom 13. März reagierte der INI-Geschäftsführer dann zehn Tage später: "Wir können Leon leider nicht auf die Freizeit auf Schloss Dankern vom 15. Juli bis 27. Juli mitnehmen, da wir keine qualifizierten Fachkräfte für die sehr spezielle 24-Stunden-Betreuung von Leon zur Verfügung stellen können", heißt es da. Und weiter: "Da wir die Sicherheit und Gesundheit von Leon nicht gefährden wollen und wir es aus unserer Sicht im Fall von Leon nicht gewährleisten können, war der Schritt zur Absage leider unvermeidlich." Wie ein Hohn klingt in den Ohren von Gabi und Frank Mänß dann der nachfolgende Satz von Rouven Rieger: "Wir haben Leon sehr gern in den vergangenen Jahren auf unsere Dankern-Freizeit mitgenommen, nun können wir aber der Verantwortung nicht mehr gerecht werden." Für Gabi Mänß absolut nicht nachvollziehbar: "An dem Zustand von Leon hat sich doch nichts geändert!" Außerdem sei doch wieder Janine B. als Betreuerin dabei, die sich mit Leon auskennt. "Sie ist doch vom Fach, arbeitet im Stups in Krefeld, eine Kurzzeitpflege für Hospizkinder, versorgt dort auch schwerstbehinderte Kinder." Die junge Frau ist laut Auskunft von Gabi Mänß auch mit dem Umgang einer Magensonde und eines Sauerstoffgerätes plus Monitor vertraut, das Leon aber nur ab und an benötigt. Das sieht Rouven Rieger von der Initiative Integratives Leben anders. Janine B. sei Studentin, erfülle nicht die rechtlichen Voraussetzungen, um eine ordnungsgemäße Versorgung zu gewährleisten - weder in medizinischer noch in pflegerischer Hinsicht.

"Dass es in der Vergangenheit zwischen Frau B. und Leon gut geklappt hat, bezweifeln wir nicht", heißt es in einem Brief der INI an die Anwältin vom 6. April. Aber: Die erneute Prüfung und Beurteilung der Betreuung und Versorgung von Leon sei "zu dem Ergebnis gekommen, dass das Risiko für Leon als auch für uns als Träger der Maßnahme nicht mehr tragbar ist". Rieger: "Es bleibt bei unserer Entscheidung, dass wir Leon leider nicht auf die Ferienfreizeit auf Schloss Dankern mitnehmen können."

Telefonisch war der INI-Geschäftsführer auch für unsere Redaktion nicht erreichbar. Per E-Mail um ein Gespräch gebeten, ließ er durch seine Personalreferentin Sabine Wroblenski am 31. Mai ebenfalls per E-Mail mitteilen: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu einzelnen Fällen/Klienten allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen kein Statement abgeben. Unsere Entscheidungen beziehen aber stets das Wohl unserer Klienten und Mitarbeiter ein und werden sehr sorgfältig im Vorfeld überlegt und abgewogen."

(jas)
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