Xanten Neue alte Fliesen für den Kapitelsaal im Dom

Xanten · Dank Andreas Heinemann vom Familienbetrieb "ILSE-Keramik in Höhr-Grenzhausen ist der Nachbrand ganz nahe am Original.

 Restaurator Torsten Knapp mit den Fliesen für den Kapitelsaal. Er soll bald wieder so aussehen wie im Jahr 1540 mit der Farbfassung von 1600.

Restaurator Torsten Knapp mit den Fliesen für den Kapitelsaal. Er soll bald wieder so aussehen wie im Jahr 1540 mit der Farbfassung von 1600.

Foto: ostermann

Die Geschichte des Kapitelsaals im Xantener Dom beginnt um 1050. Ursprünglich als Sitzungsraum der Stiftsherren gedacht wurde das zweigeschossige Gebäude mit Dormitorium (Schlafraum) im Obergeschoss, Holzbalkendecke und kleinen Rundbogenfenstern erstmals im Jahre 1220 repräsentativ umgebaut. 140 Jahre später wurde daraus ein eingeschossiger Saal mit einer Holztonnendecke und aufwendig gestalteten Spitzbogenfenstern. Sein jetziges Aussehen mit den acht Kreuzrippengewölben erhielt der seit 1898 als Sakristei genutzte Raum im 16. Jahrhundert. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieges erfolgte eine eher notdürftige Restaurierung, bei der man die auf dem Fußboden herumliegenden Rippen wahllos einsetzte.

Vor zweieinhalb Jahren begann die Dombauhütte mit der Umsetzung eines Restaurierungskonzeptes, mit dem der Zustand des Jahres 1540 mit der Farbfassung von 1600 nachgestellt werden soll. Kein leichtes Unterfangen, denn farbige Abbildungen standen natürlich nicht zur Verfügung. "Wir haben unter dem Mikroskop Farbpigmente in den Mauerresten gefunden, das hat uns enorm weitergeholfen", erzählt Restaurator Torsten Knapp.

Während die Wände und das Kreuzrippengewölbe dadurch bereits erahnen lassen, wie die "Gute Stube" des Doms einst ausgesehen haben muss, standen die Restauratoren beim Fußbodenbelag vor einer immensen Herausforderung. "Wir haben einen roten Terrakottaboden mit grauen Keramikbändern und eingelegten Stiftskreuzen vorgefunden. Dieser Boden stammt aus einer Restauration in den 60er Jahren. Nur was damals restauriert wurde, wussten wir nicht", so Knapp.

Den Durchbruch brachten alte Aufzeichnungen des Baumeisters Carl Cuno, der Mitte des 19. Jahrhunderts 13 Jahre lang mit der Restaurierung des Doms beschäftigt war. "Cuno war ein toller Denkmalpfleger, der alles genau beschrieben hat. Von ihm wissen wir, das Fliesen in den Farben Schwarz, Weiß, Grün und Rot verlegt waren", so Knapp. Damals wie heute spielte die Kostenfrage bei der Restaurierung eine gewichtige Rolle und so sah Cuno sich genötigt, einen preiswerteren Bodenbelag zu wählen.

Um der Nachwelt aber die Möglichkeit zu geben, irgendwann seinen Traum von einer originalgetreuen Restaurierung des Kapitelsaals zu realisieren, hatte er gut erhaltene Exemplare der Fliesen im Kamin der Archivkammer ausgelegt. Damit war man einen Schritt weiter, stand aber zugleich vor dem nächsten Problem: Dem Nachbrand der renaissancezeitlichen Bodenfliesen "Wir sind in einem kulturellen Zwang, können deshalb nicht einfach Industrieware da rein legen", erläutert Dombaumeister Johannes Schubert.

In Zusammenarbeit mit dem rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege begab man sich auf die Suche nach einem Fachmann, um die Fliesen originalgetreu nachzubrennen. Kein leichtes Unterfangen, denn von der Farbe des Tons und der Schamotte bis zur richtigen Brenntemperatur muss jedes Detail stimmen. Fündig wurde man in Höhr-Grenzhausen. Andreas Heinemann vom Familienbetrieb "ILSE-Keramik" hat die Xantener überzeugt. "Der konnte mit einem Blick auf die Fliesen sogar sagen, welche Glasur damals angewendet wurde.

Vergleicht man die Reste des Originalbodens und den Nachbrand, wird das hohe Einfühlungsvermögen in die Technik des 16. Jahrhunderts deutlich sichtbar", so Knapp. Jetzt galt es, die Hürde zu überwinden, an der 150 Jahre zuvor Cuno gescheitert war: die Finanzierung. Aber dieses Mal wird es klappen. Knapp: "Die Kirchengemeinde hat gesagt: Wenn ihr das Konzept verfolgt, den Raumeindruck von 1540 zu erstellen, dann nur so. Das ist ein Traum." Das Projekt soll im Sommer fertiggestellt sein.

(erko)
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