Anne Casprig "Planung ist immer schon politisch"

Alpen · Anne Casprig (35) ist die neue Planerin im Alpener Rathaus. Die frühere Wissenschaftlerin hat richtig Lust auf Praxis.

 Planungsexpertin Anne Casprig möchte mit den Alpenern ins Gespräch darüber kommen, wohin sich die Gemeinde langfristig entwickeln soll.

Planungsexpertin Anne Casprig möchte mit den Alpenern ins Gespräch darüber kommen, wohin sich die Gemeinde langfristig entwickeln soll.

Foto: Armin Fischer

Die ersten 100 Tage hat Anne Casprig (35) längst hinter sich. Ihr erster Eindruck vom neuen Job im Rathaus hat die Kategorie nachhaltig erreicht: "Alpen ist eine unheimlich nette Gemeinde mit einem ausgeprägten sozialen Miteinander." Die Städteplanerin soll die Lücke schließen, die Ulrich Geilmann, jetzt Beigeordneter in Neukirchen-Vluyn, fachlich hinterlassen hat. Sie hat richtig Lust auf ihren neuen Job. Ihre Standortbestimmung: "Alpen ist gut aufgestellt, hier passiert eine ganze Menge, und doch gibt so viele Potenziale, die noch entwickelt werden müssen." Die junge Ingenieurin hat beruflich einen harten Schnitt gemacht. Bislang war die Wissenschaft ihre Welt - Umgangssprache Englisch. Ihr letztes Forschungsprojekt an der Technischen Hochschule Aachen: "Future Mobility" und "Urban Future Outline". Es ging um zukunftsorientierte Verkehrskonzpete in Großstädten. Nun ist ihre berufliche Zukunft dörflich strukturiert.

Den Gedanken, dass sie aus akademischen Höhen in die niederrheinischen Provinz abgestürzt sei, lässt sie nicht zu. "Ich bin am Niederrhein aufgewachsen", sagt die junge Frau, die an der TU Dortmund Raumplanung studiert hat. So gesehen, komme sie nach Hause, in die Nähe ihrer Eltern, die in Kleve leben. Und ihrer Freunde. Die unstete Welt der Forschung sei nicht mehr ihr Ding gewesen. Die Bodenhaftung habe ihr gefehlt. "Es war immer mein Ziel, in die Praxis zurückzukehren", so Anne Casprig.

In Alpen möchte sie Wurzeln schlagen. Der Boden sei bereitet. Im Rathaus hätten sie alle "sehr freundlich" aufgenommen. Das gelte auch für Veen, wo sie eine Mietwohnung bezogen hat und wo sie sich vorgenommen hat, auf die Vereine zuzugehen. Der Heimatverein sei interessant, auch Singen im Kirchenchor finde sie reizvoll.

Dass die Vereine Verantwortung übernehmen und ehrenamtliches Engagement stark ausgeprägt sei, sei auffällig. "Hier kann keiner sterben, ohne dass es jemand merkt", sagt die junge Frau, die lange in der Großstadt gelebt hat. Nun sitzt sie in ihrem kleinen Büro im Rathaus und genießt zunächst einmal die Freude über "die Vielfalt der Aufgaben, die mich hier erwarten". Erleichterung und Freude, vom elfenbeinernen Turm der Wissenschaft hinabgestiegen zu sein, ist ihr anzusehen.

Der Praxisbezug und die ständige Rückmeldung über die Folgen des eigenen Tuns seien eine echte Bereicherung. Aber die Wissenschaft möchte sie nicht ganz missen. "Meine Idee ist es, sich in der Praxis idealerweise der Forschung zu bedienen", sagt sie, "zum höchstmöglichen Gewinn für die Gemeinde." Wichtig sei ihr dabei, dass Dinge auch umgesetzt würden: "Konzepte in Schubladen nützen keinem."

Alpen müsse seine Rolle finden und als "Ort zum Leben im grünen Vorhof des Ballungsraums" punkten, als "Ruhepol zum Entschleunigen" aber "keineswegs als ein schlafendes Dorf". Es gehe um günstigen Wohnraum für junge Familien, wo alle Generationen ihren Platz finden. "Wir brauchen kreative Konzepte vor dem Hintergrund einer abnehmenden Bedeutung des ländlichen Raums", ist die 35-Jährige überzeugt. Sie versteht sich als Teamplayerin, die "im engen Dialog mit den Bürgern" Prozesse anstößt. Denn sie ist entschieden gegen eine "Planung vom Brett".

Dabei stelle sich zunächst eine zentrale Frage: "Was ist Alpen überhaupt?" Wo ist das Ziel? Wohin soll die Reise gehen im Konzert der einzelnen Dörfer. "Es kann nicht jeder für sich denken, wir müssen die Ortsteile stärker verzahnen", so Casprig. Sie sucht Antwort auf die Frage, wie es gelingt, Menschen an den Ort zu binden, "in dem sich möglichst viele wohlfühlen". Leitlinie: "Wir müssen die Verschiedenheit einzelner Planbereiche bedenken und zusammenführen, um ein gutes Ganzes zu schaffen."

Als Forscherin hat sie gelernt, in der Bauleitplanung "zielgruppenorientiert" zu denken. Es sei was Anderes, unter der Vorgabe Individualverkehr "freie Fahrt für freie Bürger" zu planen oder Klimaschutzzielen zu folgen. In dem Sinne sei Planung "immer auch politisch". Sie müsse stets Chancengleichheit für alle im Blick haben, so Casprig, erkennen, was möglichst allen gerecht wird.

Auch privat erforscht Anne Casprig gern Städte und begibt sich mit Freunden auf Geocaching-Tour - moderne Schatzsuche über GPS. Und sie ist engagierte Tierschützerin in der Hamsterhilfe NRW. Leuten, die ein paar Tage nicht zu Hause sind und nicht wissen, wohin mit ihren kleinen Nagern, bietet sie eine Pflegestelle für die nachtaktiven Tierchen an. "Von so etwas habe ich immer profitiert, wenn für meine Forschungsprojekte wieder mal unterwegs war", erzählt Anne Casprig. Dass Hamsterrad Forschung hat sie hinter sich. Mit ihrem neuen Job ist sie bodenständig angekommen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort