Serie "Mein Engel" Rollstuhl-Fahrerin wird Malteserhelferin

Xanten · Die 26 Jahre alte gehbehinderte Angelique macht derzeit bei den Moerser Maltesern eine Ausbildung als Einsatzsanitäterin. Sie ist damit die erste Rollstuhlfahrerin, die bei Großveranstaltungen zum Einsatz kommen wird.

Im Frühjahr fiel der Fahrstuhl aus in dem Moerser Mehrfamilienhaus, in dem Angelique Marten wohnt. Drei Wochen dauerte es, ehe der Defekt behoben wurde. Für die meisten Hausbewohner war das ärgerlich, für Angelique Marten, die in einem kleinen Appartement im zweiten Stock lebt, war es ein Drama. Die 26-Jährige ist aufgrund einer schweren, dauerhaften Erkrankung so stark gehbehindert, dass sie sich nur im Rollstuhl vorwärtsbewegen kann. Doch was als Desaster begann, könnte für die junge Frau zu einer Bereicherung für ihr künftiges Leben werden. Durch die Panne lernte sie die Helfer des Malteser-Bundes kennen, die sie drei Wochen lang die Treppe hinab- und wieder hinauftrugen.

Und nun sitzt sie im Ausbildungszentrum der Grafschafter Malteser am Schürmannshütt in Moers. Denn Angelique will Malteser-Helferin werden.

Gleich beginnt der Unterricht. Auf dem Stundenplan steht der Umgang mit digitalen Funkgeräten. Aber vorher plaudert die junge Frau, die über die nagelneue Rollstuhlrampe ins Schulungszentrum gerollt ist, noch eine Weile mit dem Mann, der mit verantwortlich dafür ist, dass Angelique wohl schon bald in der Uniform der Malteser bei öffentlichen Veranstaltungen Sanitätsdienste übernehmen wird: Marcel Jansen (31) war nämlich einer der Malteser, die Angelique während des Fahrstuhl-Defekts halfen, wenn die Moerserin zu einem ihrer vielen Arzt- und Therapietermine gebracht werden musste.

Wenn man die beiden erzählen hört, spürt man, dass es - rettungstechnisch gesehen - zwischen Patientin und Helfern sofort gefunkt haben muss. "Sie hat uns zum Kaffeetrinken eingeladen und dabei darauf bestanden, dass sie alles selbst machte. Wir durften nicht einmal eine Tasse in die Küche bringen", berichtet Jansen, der im Moerser Zentrum ehrenamtlich als Leiter der Notfallvorsorge arbeitet. Die zupackende Art der Rollstuhlfahrerin gefiel den Helfern. Und so fragten sie Angelique, ob sie sich vorstellen könnte, bei ihnen mitzumachen.

Schon seit längerer Zeit hatten Jansen und seine Leute den Plan gehabt, Menschen mit Behinderung für den Sanitätsdienst zu gewinnen. Das ging aber nicht, weil das Zentrum keinen behindertengerechten Zugang hatte. Doch dann wurde vor zwei Wochen die neue Rampe für Rollstuhlfahrer fertig. "Da hat einfach alles zusammengepasst", sagt Jansen

Seine Kollegen, die Angelique Martens einweisen werden, haben bereits eine Schulung bekommen, wie sie Behinderte auf die Anforderungen des Sanitätsalltags am besten vorbereiten. Denn eines ist für alle Beteiligten klar: Angelique Martens soll keine Extrawurst bekommen, sondern ganz normal Dienst tun, wie jeder andere Malteser auch.

Nun, nicht ganz wie jeder. Bei der Vorstellung, dass die zarte Angelique mit ihrem Rollstuhl einen Mann von der doch eher stattlichen Statur eines Marcel Jansen irgendwo hin wuchten müsste, müssen alle Beteiligten herzlich lachen. Aber dafür ist der ehrenamtliche Dienst bei den Maltesern Teamwork. Die Aufgaben werden verteilt.

In der Ausbildung jedenfalls erhält die Moerserin eine Schulung wie alle anderen auch: Nach 80 Unterrichtseinheiten ist sie Einsatzsanitäter. Dann gehört sie zu der Familie der Grafschafter Malteser, die 89 aktive und rund 3000 passive Mitglieder zählt. In der Region betreuen die Malteser unter anderem das Comedy-Arts- und das Free-Fall-Festival. Aber auch beim Xantener Oktoberfest und dem Düsseldorfer Karneval waren schon Malteser aus der Grafschaft im Einsatz.

Marcel Jansen glaubt, dass Angelique seiner Truppe zudem helfen kann, sich besser in die Lage von Behinderten hineinzuversetzen, die häufig zu den "Kunden" der Helfer zählen. "Wenn die zum Beispiel beim Rosenmontag sehen, dass bei uns auch Behinderte im Einsatz sind, ist das doch ein Signal, dass niemand wegen seiner Behinderung abgeschrieben ist", so Jansen.

Doch bis Rosenmontag muss Angelique Marten gar nicht auf ihren ersten Einsatz warten. Schon vom 16. bis zum 18. Juli soll sie beim Heavy-Metal-Festival Dong Open Air Bestandteil eines dreiköpfigen Malteser-Teams sein und den ehrenamtlichen Profis assistieren. "Langeweile kommt da sicher nicht auf", sagt Jansen. "Im vergangenen Jahr hatten wir während der drei Tage 300 Einsätze."

Bis dahin wird Angelique Marten noch einige Übungsstunden absolvieren müssen. Doch sie genießt die Zeit während der wöchentlichen Ausbildungsabende: "Hier herrscht eine ganz tolle, familiäre Atmosphäre. Mir ist, als wäre ich schon immer dabei gewesen." Jürgen Stock

(RP)
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