Xanten So ist das Leben auf der Fazenda

Xanten · Weg von Sucht und Abhängigkeit: Im Kloster Mörmter leben sieben Männer zwischen 20 und 48 Jahren. Moritz Bucher ist neuer Leiter.

 Vor der Fazenda da Esperanca im Kloster Mörmter: links Leiter Moritz Bucher, rechts seine Frau Romina Miot (aus Argentinien), in der Mitte Vinicius Moreira (20, aus Brasilien, stellvertretender Leiter der Fazenda.

Vor der Fazenda da Esperanca im Kloster Mörmter: links Leiter Moritz Bucher, rechts seine Frau Romina Miot (aus Argentinien), in der Mitte Vinicius Moreira (20, aus Brasilien, stellvertretender Leiter der Fazenda.

Foto: Heinz Spütz

Vinicius Moreira kommt aus Brasilien, ist gerade einmal 20 Jahre jung und lebt seit Januar auf der Fazenda da Esperança, dem Hof der Hoffnung im Kloster Mörmter. Ein Hof, der Männern vorübergehend zur Heimat wird, die am Ende sind, die selber keine Hoffnung mehr haben, in und mit dem eigenen Leben nicht zurechtkommen. Drogen, Alkohol, Computer- und Spielsucht, schwere Depressionen, Anorexie, schwerer Missbrauch in einer Kindheit, in der Prügel an der Tagesordnung waren: Die Schicksale, die leidvollen Geschichten ähneln sich - und der Hof der Hoffnung ist oft ihre letzte Hoffnung, doch noch die Kurve zu kriegen, aus der Sucht heraus zu kommen, vielleicht einmal ein ganz normales Leben zu führen.

So wie Moritz Bucher (40) aus Mannheim, der seit dem 1. Januar die Fazenda da Esperança in Mörmter leitet, gemeinsam mit seiner argentinischen Frau Romina Miot und dem jungen Vinicius Moreira, seinem Stellvertreter. Bucher war selber drogenabhängig, hat über die Rekuperation in einer Fazenda den Weg in ein neues Leben ohne Drogen gefunden. "Aufstehen, wenn man hingefallen ist: Das ist für viele ein Problem", weiß der 40-Jährige.

Sieben Männer zwischen 20 und 48 Jahren leben zur Zeit auf der Fazenda in Mörmter. Sie teilen sich zu zweit ein Zimmer, leben spartanisch: kein Handy, keine Zigaretten, kein Alkohol, kein Computer. Um 6.30 Uhr gibt es Frühstück, dann wird gemeinsam gebetet, aus dem Tagesevangelium ein kurzes Wort gesucht, das alle den Tag über begleitet, zu besseren Menschen werden lassen soll. Nicht verurteilen beispielsweise. Oder vergeben, als erster lieben. Abends gibt es zwei Gesprächsrunden, eine über das Tageswort, eine, in der jeder darüber reden kann, was ihn bedrückt, ihm auf der Seele liegt. "Das ist unsere Medizin, das funktioniert seit 35 Jahren", sagt Moritz Bucher.

So lange gibt es sie, die Höfe der Hoffnung. Der erste wurde in Brasilien gegründet, in dem Ort in der Nähe von Sao Paulo, aus dem auch Vinicius Moreira kommt. Inzwischen gibt es weltweit 120 Fazendas, sieben in Deutschland, zwei für Frauen, fünf für Männer. Höfe in Italien, Polen und Frankreich kommen dieses Jahr hinzu. Man sagt Bruder zueinander. "Wir wollen Familienleben leben, den Menschen ihre Würde zurückgeben", so Romina Miot (33), "hier wird das gelebt, was viele nicht kennen, was ihnen verloren gegangen ist: das Miteinander." Man feiert Geburtstage miteinander, sitzt abends im Wohnzimmer beieinander. Einer hat die Woche hindurch Frühstücksdienst, der darf dann freitag- und sonntagabends den Film oder das Fußballspiel aussuchen, das im Fernsehen geschaut wird. Es gibt einen Fitness- und einen Spieleraum.

Ausgang gibt es nicht, aber "manchmal gehen wir auch zusammen Döner essen oder kegeln", erzählt Bucher. Um den Garten, das Holzhacken, die Küche, Tiere, die Wäsche, den Hausputz kümmern sich alle. Und dann gibt es noch das Hofcafé, das ab Mai fünf Tage in der Woche geöffnet wird. In den ersten Monaten dürfen die Menschen, die in einer Fazenda leben, nur Briefkontakt zu den Eltern, Angehörigen, Nahestehenden haben, danach ist einmal im Monat Besuchszeit. Denn ein Jahr lang sollen sich die Bewohner auf sich konzentrieren, lernen zu lieben, geliebt zu werden. Nach einem Jahr wird geschaut, wie es aussieht: Wohin kann er gehen? Gibt es Eltern, die den Menschen auffangen, der in der Fazenda wieder Hoffnung geschöpft hat, ohne Drogen gelebt hat? Vinicius Moreira wird Ende des Jahres die Fazenda verlassen. "Das Leben hier tut mir gut. Ich habe hier viel erlebt, das mich geprägt hat", sagt der junge Mann. Was dann kommt? "Man wird sehen", so der 20-Jährige, der schnell Deutsch gelernt hat und es nahezu fließend spricht. "Studieren? Vielleicht, Grafik und Design. Aber nicht in Deutschland - in Brasilien ist es einfacher".

(jas)
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