Xanten Urkunden erzählen Geschichte des Stifts

Xanten · Archivar Dieter Kastner hat Papiere aus den Jahren 1610 bis 1804 ausgewertet. Eine Zeit des Niedergangs für das einst reiche Stift Xanten.

 Dieter Kastner (Mitte) mit (von links) Claudia Kauertz (LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum), Udo Grote (Stiftsmuseum), Jens Lieven (Dombauverein) sowie Everhard Mingels und Gerda Hußmann vom Niederrheinischen Altertumsverein Xanten, der die Buchveröffentlichung finanziell unterstützt hat.

Dieter Kastner (Mitte) mit (von links) Claudia Kauertz (LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum), Udo Grote (Stiftsmuseum), Jens Lieven (Dombauverein) sowie Everhard Mingels und Gerda Hußmann vom Niederrheinischen Altertumsverein Xanten, der die Buchveröffentlichung finanziell unterstützt hat.

Foto: a. fischer

Historiker müssten sich die Finger lecken: Die Geschichte des Stifts Xanten in der Zeit zwischen 1500 bis zu seiner Auflösung 1802 geht, harrt ihrer Aufarbeitung. Veröffentlichungen über das Stift im Mittelalter gebe es reichlich, sagt der Historiker und Archivar Dieter Kastner. "Aber über die letzten drei Jahrhunderte wissen wir so gut wie gar nichts." Dabei sind damals spannende Dinge passiert. Das einst vor Reichtum strotzende Stift, dem es (im Gegensatz zum Beispiel zu Köln) immerhin gelang, den Dombau zu vollenden, verarmte und häufte immense Schulden an.

Kastner gibt Historikern ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie sich in die Geschichte graben können: Er hat Urkunden des Stiftsarchivs aus den Jahren 1610 bis 1804 ausgewertet und ediert. Es handelt sich um den fünften Band einer Reihe, deren ersten Teil Carl Wilkes 1952 veröffentlicht hatte. "Wilkes hat das Stiftsarchiv in seiner jetzigen Form begründet", sagt Kastner, der in den vergangenen Jahren die Urkunden-Edition mit vier Veröffentlichungen fortgesetzt hat. Mit Vorliegen des fünften Bandes sind nun alle Urkunden des Archivs — rund 4500 an der Zahl — aus den Jahren 1119 bis 1804 erfasst.

Kastner hat sogenannte Regesten (von res gestae — "das, was geschah") angefertigt: Inhaltsangaben, die das Wesentliche der weitschweifigen alten Papiere wiedergeben. Ein Register erlaubt es, gezielt nach Informationen zu bestimmten Themen zu suchen. Forschern bleibt es erspart, sich selbst in die schwer lesbaren historischen Dokumente (die obendrein geschont werden) zu vertiefen. "Wer mehr wissen will, kann ja dann im Original nachgucken."

Was Kastner aus seiner Beschäftigung mit den Urkunden der Jahre 1610 bis 1804 erfahren hat, macht Appetit auf mehr. Dass die steinreichen Kanoniker verarmten, habe keineswegs an Misswirtschaft und Unfähigkeit gelegen. Größtenteils handelte es sich nicht um Priester, sondern um Juristen und Professoren, die die niederen Weihen empfangen hatten. "Gute Verwaltungsfachleute, würde man heute sagen."

Der Niedergang des Stifts habe begonnen, als 1609 große Teile des Herzogtums Kleve — und damit Xanten — an das protestantische Brandenburg-Preußen fielen. Nicht nur der Landesherr war ein Reformierter. "Zwei Jahrhunderte lang saßen in Kleve protestantische Räte", so Kastner. In protestantischen Landen wurden Klöster und Stifte aufgelöst, im katholischen Herzogtum Kleve sei dies nicht möglich gewesen. Stattdessen wurde dem Stift mit gewaltigen Steuern das Leben schwergemacht. Kanoniker, die die geforderten Summen nicht zahlen konnten, wurden in Festungshaft genommen. Auch Kriege (80-jähriger Krieg, 30-jähriger Krieg) trugen zum Abstieg des Stifts bei.

Gleichwohl, so Kastner, war das Stift führend an der katholischen Reform beteiligt. Die Kanoniker holten Jesuiten und Kapuziner nach Xanten, die das Volk unterrichteten. "Ohne das Stift wären Xanten und ein Teil des Herzogtums Kleve nicht katholisch geblieben."

Die Urkunden des Stiftsarchivs Xanten. Regesten. Band V: 1610-1804. Habelt-Verlag Bonn, 23,50 Euro.

(RP)
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