Xanten Weiter Weg bis zum modernen Museum

Xanten · Dr. Ralf Grüßinger sprach im Archäologischen Park Xanten über die museale Präsentation von Altertümern.

Das westfälische Haltern um 1900: Archäologen legten die Reste eines Lagers aus römischer Zeit frei. Es handelte sich nicht um irgendeine x-beliebige Befestigung, sondern um ein Lager aus der Zeit des Kaiser Augustus. Besser noch: Es musste sich, so war die Fachwelt elektrisiert, um eine Anlage handeln, die in direktem Zusammenhang mit der Schlacht im Teutoburger Wald stand. Dorthin war die geschlagene römische Armee geflüchtet, ehe sie sich ganz über den Rhein zurückzog.

Die Funde trafen den Nerv der Zeit, erklärte jetzt der Archäologe Dr. Ralf Grüßinger, der im Archäologischen Park Xanten über die museale Präsentation von Altertümern referierte. Damals folgte eine große Flut vor Artikeln auch in der überregionalen Presse. Selbst Kaiser Wilhelm II. zeigte großes Interesse. Denn 30 Jahre nach dem Zusammenschluss der zahllosen kleinen und großen Einzelstaaten zu einem einheitlichen Reich suchten die Deutschen nach einer Legitimation für die nationale Einheit. Im germanischen Altertum schienen sie sie zu finden: "Germanen und Deutsche wurden miteinander gleichgesetzt und eine ununterbrochene Traditions- und Abstammungslinie von der Antike bis in die Neuzeit konstruiert", so Grüßinger

Das Germanentum faszinierte damals die Menschen. In Haltern fand alljährlich ein großes Familienfest statt mit Scheibenschießen, Kinderspielen und abendlichem Ball. Ein Festzug mit Teilnehmern, die sich als Germanen verkleidet hatten, zog durch den Ort. "Von Römern ist in den Zeitungsberichten übrigens nicht die Rede", berichtete Grüßinger. Überreste von verbrannten Knochen in Urnen wurden kurzerhand als die Reste von verstorbenen Germanen interpretiert. "Nicht nur der ermüdete Sieger ruht nach dem Kampf mitten im römischen Lager, sondern auch die Gefallenen finden ihre Ruhe im Zentrum der Römerburg, im wieder germanischen Boden", urteilte ein Wissenschaftler damals. Man sah Arminius als Befreier Germaniens und in seinem Sieg über den römischen Feldherrn Varus ein Schlüsselereignis deutscher Geschichte. Aus Arminius wurde Hermann, der Cherusker.

Die Bildung stand dabei auch im Vordergrund. Hier wie auch anderswo entstanden Römermuseen zunächst einmal in Räumlichkeiten einer Schule. Doch diese erwiesen sich für die vielen Funde bald als zu klein. Museen wurden neu gebaut. Durch die thematische Nähe zur Schlacht im Teutoburger Wald, "einem Ereignis, das nach damaliger Auffassung für die deutsche Volkwerdung von entscheidender Bedeutung war", so Referent Grüßinger, stieß das Projekt auf eine breite öffentliche Unterstützung.

Didaktisch steckte die Ausstellungskonzeption, verglichen mit heute, noch in den Kinderschuhen. Zwar gab es bereits Hilfsmittel wie Karten und Zeichnungen und ein plastisches Geländemodell. Die Ausstellungen waren Teil des Bildungsprogramms.

Doch die großen Schränke und Vitrinen wirkten eher vollgepfropft mit allem, was die Bodengrabungen hergaben, geordnet nach Material oder Verwendungszweck: Münzen, Waffen, Eß- und Trinkgeschirr, Lampen, Glas und mehr. Sogar über den Türen wurden Exponate platziert.

(pek)
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