Kabarettist Ludger Kazmierczak „Der Politik mal einen Spiegel vorhalten“

Rheinberg · Der WDR-Journalist Ludger Kazmierczak ist seit vier Jahren als Kabarettist unterwegs. Mittlerweile füllt er Spielstätten, die für nationale Comedians zu groß sind. Im Januar ist er auch in Rheinberg zu Gast - am 21. im Schwarzen Adler, um genau zu sein.

 Im Westen ein Neuer: Als Kabarettist ist der Klever Journalist Ludger Kazmierczak kein Geheimtipp mehr.

Im Westen ein Neuer: Als Kabarettist ist der Klever Journalist Ludger Kazmierczak kein Geheimtipp mehr.

Foto: Markus van Offern

Der Klever Kulturmanager Bruno Schmitz (70) versorgt seit Jahren den unteren Niederrhein zuverlässig mit hochkarätiger Kleinkunst. Ob Volker Pispers, Richard Rogler oder Wilfried Schmickler - Schmitz hat mit nahezu allen Größen der Szene geschäftlich zu tun - oder auch privat. Er kennt sich aus in dem Genre, in dem es um Geld und gute Worte geht.

Was das Angebot an Humor betrifft, so nimmt dies stetig zu. Allein auf der Homepage des Kulturbüros von Bruno Schmitz stehen 42 Künstlernamen und fünf Festivals, für die er Karten anbietet. Auch darum haben es Komiker mittlerweile schwer, ihren Spielort zu füllen.

Gerade deshalb kommt Schmitz ins Schwärmen, wenn er von einem Mann erzählt, der Luftlinie knapp 300 Meter von seinem Kulturbüro entfernt wohnt. Bis vor vier Jahren ein ihm beiläufig Bekannter. Man grüßte sich. Der Mann heißt Ludger Kazmierczak, ist 48 Jahre alt, hauptberuflich Leiter des WDR-Studios in Kleve und Niederlande-Korrespondent. 2013 hatte er seinen ersten Kabarettauftritt im intimen Rahmen mit 50 Gästen. Mittlerweile steht er regelmäßig auf Bühnen am unteren Niederrhein. Ob Kleve, Goch, Wissen, Issum... - auch Bocholt ist erreicht. Sicherlich bemerkenswert daran ist, Kazmierczak gastierte bislang immer vor voll besetzten Stuhlreihen.

Dass die Spielorte stets gut gefüllt sind, freut Geschäftsmann Schmitz. Als er in seinem Ticketshop steht, zieht er ein gerolltes, etwa DIN-A 2 großes Poster aus einem Fach und streift es auseinander. Der Kopf von Kazmierczak kommt zum Vorschein. "Eigentlich ist es Quatsch, die zu drucken. Ist eh immer ausverkauft. Aber es gehört ja dazu", sagt der 70-Jährige. Für ihn ist der Mann ein Phänomen. Nahezu keine Werbung, erst seit 2013 auf der Bühne und dennoch gab es keinen Termin, bei dem Karten zurückgegeben werden mussten. Zuletzt spielte er in Kalkar vor 500 Zuschauern - ausverkauft. RP-Redakteur Peter Janssen sprach mit dem Mann, der weiß, was der Niederrhein - und bereits Teile von Westfalen - hören wollen.

Herr Kazmierczak, es heißt, Komiker seien privat mitunter humorlose, kontrollierte, teilweise unglückliche Menschen. Sind Sie so?

Ludger Kazmierczak Unglücklich ist Quatsch, aber das Schreiben der Texte ist schon manchmal anstrengend. Vor allem, wenn es nicht fluppt. Würde es jedoch keinen Spaß machen, würde ich es nicht machen. Aber manchmal sagen mir meine vier Mädels zu Hause schon: Jetzt mach mal eine Pause, bevor du schlechte Laune kriegst.

Immer lustig sein, das nervt im Haushalt keinen?

Kazmierczak Noch nicht, aber die drei jüngeren Mädchen sind auch noch nicht in der Pubertät. Wenn die irgendwann sagen "Och, du musst mich wirklich nicht vom Training abholen", dann sollte man die Signale erkennen.

Sie standen 2013 erstmals auf einer Bühne und haben ein Programm in Form eines Jahresrückblicks präsentiert. Wie kommt man darauf?

Kazmierczak Es war Zufall. Eigentlich ging es darum, eine Lesung im Klever Restaurant "Zum Aussichtsturm" zu halten. Lesungen hatte ich schon einige moderiert. Aber in diesem Jahr war in Kleve so viel passiert, dass ich mir gedacht habe, das muss man sich mal alles aufschreiben und in einer humorvollen Art präsentieren.

Was ist damals geschehen?

Kazmierczak Es ging unter anderem um die Bebauung des Minoritenplatzes. Damals habe ich die Diskussion darüber in der Stadthalle moderiert. Da fielen so Sätze wie von CDU-Ratsmitglied Udo Janssen "Habe ich Löcher in den Händen?" oder "Wächst mir Gras aus der Tasche?". Auch die Entscheidungen der Stadtverwaltung waren nicht immer von Fortune geprägt und sorgten für Programmpunkte.

Der Schritt vom Sammeln der Pannen bis zum Auftritt ist kein kleiner.

Kazmierczak Es war ein Wagnis, aus der Lesung einen, nennen wir es, amüsanten Abend zu machen. Man kann nicht einschätzen, ob das, was man da zusammengeschrieben hat, überhaupt ankommt. Mich hat überrascht, dass bei der ersten Auflage gleich vier Abende zustande kamen. Wenn ich mir heute die Manuskripte der ersten Auftritte noch mal durchlese, ist es für mich erstaunlich, worüber damals gelacht wurde. Ich fand die ersten Abende was Texte und Pointen betrifft, die schlechtesten.

Aber sie waren offenbar so gut, dass die Leute, und noch etliche mehr, im nächsten Jahr wiedergekommen sind.

Kazmierczak Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Lokalpolitik sonst höchstens noch im Karneval auf die Schippe genommen wird. Und hier auf eine Art, die nicht jedem Klever liegt. Es ist ihnen zu altbacken, das ganze Drumherum stört sie, der Karneval hat zweifellos seine eigenen Gesetze.

Wie entsteht Ihr Programm?

Kazmierczak Was den Jahresrückblick betrifft, so schreibe ich mir nette Begebenheiten, die ich im Alltag erlebe, auf. Ebenso wie Interessantes aus der Zeitung oder witzige Dialoge. Im Herbst setze ich mich hin und formuliere daraus die Texte. Zunächst jede Geschichte für sich, später verbinde ich diese zu einem Programm.

Testen Sie, welche Pointen ankommen?

Kazmierczak Nein. Bislang bin ich nach dem Motto verfahren "Was ich lustig finde, finden andere auch lustig". Aber das haut nicht immer hin. Ich überlege, ob ich nicht mal im kleinen Kreis, mit ein paar Freunden und Nachbarn, eine Art Preview mache. Trotzdem bleibt es immer spannend, dass Pointen völlig unterschiedlich ankommen. So war es zuletzt in Sevelen, wo ich vor einem eher reifen Publikum gespielt habe. Die größten Lacher waren dort an anderen Stellen als sonst. Mittlerweile erkenne ich an der Zusammensetzung des Publikums, welche Pointen besonders gut funktionieren.

Ist Ihr einziges Ziel, Leute zu unterhalten?

Kazmierczak Es ging auch darum, der Politik und den Klevern mal einen Spiegel vorzuhalten, um zu zeigen, dass wir uns manchmal zu wichtig nehmen. Wir sollten uns häufiger bewusst machen, dass wir nicht Köln oder irgendeine Metropole sind, sondern ein Provinzstädtchen, über das man auch selbst lachen darf.

Sie sehen sich eher als Kabarettist oder als Comedian?

Kazmierczak Ich wäre lieber Kabarettist. Wobei die Grenzen schwimmend sind. Was ich nicht könnte, ist, mich hinstellen und pausenlos Witze erzählen. So wie etwa Markus Krebs.

Kabarett ist politisch, will nachdenklich machen, Reaktionen hervorrufen. Gelingt Ihnen das auch?

Kazmierczak Gelegentlich wirst du von Lokalpolitikern angesprochen. Die Klever Grünen Michael Bay und Hedwig Meyer-Wilmes sind mal gekommen und haben sich über eine Stelle im Programm aufgeregt. Das könne man so kurz vor der Wahl nicht bringen, meinten sie. So merkst du, es verhallt nicht irgendwo im Orbit, sondern es bleibt auch mal hängen.

Sehen Sie als Journalist eines öffentlich-rechtlichen Senders nicht die Gefahr, bei allzu politischen Themen, Ihre Neutralität zu riskieren?

Kazmierczak Ich sage immer: Ich trete nicht als Journalist auf, sondern mit einem Unterhaltungsprogramm. Bislang habe ich damit keine Probleme gehabt. Mein Sender nimmt sogar Vorstellungen von mir ins Programm, wie etwa die Cinque-Sommernacht oder zuletzt das WDR 5-Kabarettfest. Das war politisch zwar nicht besonders brisant, aber große Sorgen, dass ich mit meinen Auftritten übers Ziel hinausschieße, muss niemand haben.

Hat Ihr Job und die damit verbundene Radio-Präsenz zu dem Erfolg beigetragen?

Kazmierczak Nein. Ich moderiere nicht und allein durch Beiträge wird man kaum bekannt. Ich glaube nicht, dass bei meinem Auftritt in Bocholt jemand gesagt hat, "Guck an, das ist der Kazmierczak aus dem Radio". Heute als Radiomann prominent zu werden, ist schwierig. Das war zu Zeiten von Manfred Erdenberger anders. Was Job und Kabarett verbindet, ist das Schreiben von Texten. Spaß an der Sprache haben - und da gibt der Niederrhein ja auch einiges her.

Welchen Künstler hören Sie gerne?

Kazmierczak Ich bin eher ein Freund von politischen Kabarettisten. Volker Pispers gehört zweifellos dazu, ebenso wie Wilfried Schmickler. Aber auch Dieter Nuhr, der aktuell vielleicht eine Überpräsenz besitzt. Und ich bewundere jeden, der Musik-Kabarett machen kann - wie Matthias Reuter.

Sie haben am Aussichtsturm die Zahl der Auftritte von vier auf sieben, 14 und dann 18 gesteigert. Das Programm funktioniert in Westfalen. Die Karten für Ihren Auftritt im Spiegelzelt waren nach zwei Tagen vergriffen. Ingo Appelt hat dort einen Tag zuvor vor halb leeren Rängen gespielt. Ist es nach den Anfängen eine Hypothek, sich ständig steigern zu müssen?

Kazmierczak So lange ich nicht in die Kölnarena will, muss ich mir keinen Druck machen. Wenn man irgendwann merkt, jetzt haben die Leute die Nase voll - und irgendwann haben sie die Nase voll von Rathaus und Minoritenplatz - dann mache ich eben eine Pause. So wie mit dem satirischen Rückblick, mit dem ich in diesem Jahr aussetze. Ein gewisser Druck ist natürlich schon da, zumindest nicht schlechter zu werden. Vielleicht ist es auch deshalb ganz gut gewesen, im ersten Jahr mit einem aus meiner Sicht eher durchschnittlichen Programm begonnen zu haben.

Gibt es Bereiche, über die Sie keine Witze machen? Ist Ihnen irgendetwas heilig?

Kazmierczak (überlegt) Eigentlich nicht.

Behinderte?

Kazmierczak Ja, stimmt. Das ist hier so. Der Holländer hat da keine Probleme mit. Behinderte, Juden - alles erlaubt. Die sind selbst bei diesen Themen völlig unverkrampft. Jeder Kabarettist hat sicherlich seine eigene Schmerzgrenze. Für mich ist es die Gegend, in der Ingo Appelt sich herumtreibt. Da sind mir zu viele Körperöffnungen im Spiel. Aber auch der hat seine Fans.

Hat sich in den vergangenen Jahren für Sie etwas verändert? Werden Sie in der Öffentlichkeit häufiger angesprochen, suchen Leute Kontakt?

Kazmierczak Nein. Was sich wohl verändert hat, ist, dass mich jetzt mehr Veranstalter anrufen. So wie etwa für den Issumer Kleinkunstabend oder zuletzt für den Auftritt auf Schloss Wissen. Was die Bekanntheit vor Ort betrifft, so könnte ich an jedem Wochenende auf einem 80. Geburtstag oder einer Hochzeit auftreten. Vorgestern bin ich an der Tankstelle nach dem Motto angesprochen worden: "Ach, Sie sind der Herr Kazmierczak, darf ich Sie mal was fragen, mein Onkel wird nächsten Freitag ..."

Bereuen Sie im Rückblick auf Ihre Karriere etwas?

Kazmierczak Eigentlich nicht. Vielleicht, dass ich nicht früher damit begonnen habe. Aber, so wie es jetzt ist, hat es einige Vorteile. Wenn ich nur innerhalb eines bestimmten Radius spiele, bleibt dieses Hobby familien-kompatibel. Man kann es mit dem Beruf in Einklang bringen und hat trotzdem so seine Art von Selbstbefriedigung. So wie andere an alten Autos herumschrauben, Joggen gehen oder Tennis spielen, schreibe ich Texte und freue mich, wenn jemand drüber lacht.

Für fünf Euro konnte man 2013 Ihren ersten Abend im Aussichtsturm sehen. In Kalkar waren 20,80 Euro für die Karte fällig. Fühlen Sie sich mittlerweile ausreichend entlohnt?

Kazmierczak Nein, keinesfalls.

(RP)
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