Xanten Zeitzeugen erzählen Birtener Geschichte

Xanten · Der Geschichtsverein veröffentlicht das zweite Heft aus der Reihe "Historische Berichte aus Birten".

 Über das neue Heft freuen sich (v. li.) Theo Zumkley, Wilhelm Theußen, Melanie Mehre, Hubert Lemkens, Klaus Zimmermann und Paul Pieper.

Über das neue Heft freuen sich (v. li.) Theo Zumkley, Wilhelm Theußen, Melanie Mehre, Hubert Lemkens, Klaus Zimmermann und Paul Pieper.

Foto: A. Fischer

Es gibt nicht mehr allzu viele Menschen, die die Vorkriegszeit, den Zweiten Weltkrieg und die Zeit direkt danach miterlebt haben. Der Birtener Geschichtsverein hat sie gefunden, hat die Geschichten von Zeitzeugen im zweiten Heft aus der Reihe "Historische Berichte aus Birten" niedergeschrieben und jetzt in einer Auflage von 250 Exemplaren auf den Markt gebracht. Theo Zumkley (77), Vorsitzender des Geschichtsvereins, war federführend bei der Erstellung des zweiten Heftes, das er jetzt mit den Zeitzeugen Willi Theußen (90), Hubert Lemken (81), Paul Pieper (79) und Klaus Zimmermann (74) vorstellte. Melanie Mehre war bei der Vorstellung für die Volksbank Niederrhein dabei, die als Sponsor im Boot ist.

"Da sah ich auf einmal eine blaue Wolke über der Hees, darin zuckte ein Blitz, und dann gab es einen lauten Knall", erinnert sich Hubert Lemken in dem Heft beispielsweise an die Muna-Katastrophe - , als das Munitionsdepot in die Luft flog. "Alle Scheiben der Schulfenster wurden von dem Druck der Explosion in die Klassenräume gedrückt. Gut, dass alle Kinder auf dem Schulhof waren."

Zum Schwimmen gingen die Schulkinder zum Altrhein bei Haus Lau, den Weg zur Schule "mussten wir bei Wind und Wetter zu Fuß in Holzschuhen zurücklegen". Seine ersten Fußballschuhe bekam Hubert Lemken von einem Jugoslawen, der zum Ende des Krieges wie viele seiner Landsleute in der Muna von den Engländern als Wache eingesetzt war und bei Bauern versuchte, mit Tauschgeschäften ihre Verpflegung aufzubessern.

"Oft mussten wir unser Heil im Straßengraben suchen, um nicht überfahren zu werden", beschreibt Klaus Zimmermann in dem Heft die Flucht aus der kleinen Stadt Bomst, wo die Mutter Jungen und Mädchen das Lesen, Schreiben, Rechnen beibrachte. "In einem beheizten Viehwaggon fuhren wir bis Frankfurt/Oder, von dort nach Cottbus und über Görlitz nach Zittau, unserem ursprünglichen Wohnort. Im Februar 1945 mussten meine Mutter, Großmutter, Tante und wir zwei Jungen wieder fliehen, da die Front immer näher rückte." Über viele Umwege kam die mittlerweile achtköpfige Familie nach Birten, wurde die Katstelle auf der Reinhardstraße 40 neues Zuhause, bis die Eltern 1960 im Huveskath die eigenen vier Wände schufen.

Prall voll sind die Lebenserinnerungen, die Willi Theußen zusammengestellt und in gebundener Form an seine Kinder übergeben hat. Der Geschichtsverein hat aus diesem überreichen Fundus für sein Heft geschöpft. Theußen war sechs, als er 1932 mit seinem Vetter Johannes eingeschult wurde und sich "schon früh an gewissen Regeln wie Pünktlichkeit, Aufmerksamkeit und Ruhe im Unterricht halten musste". Fräulein Rüttermann hieß seine Lehrerin, die bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad nach Birten und Zurück nach Xanten fuhr und Generationen von Birtener Kindern "den Einstieg in den Ernst des Lebens erträglich gestaltet" hat.

Im Winnenthaler Kanal hat Willi Theußen schwimmen gelernt, im Altrhein schwarz geangelt, in der Firma Hidding gelernt und seine Kaufmannsgehilfenprüfung abgelegt. Im Juli 1943 wurde er zum Reichsarbeitsdienst in Hermeskeil einberufen. 1944 kam er nach Birkenfeld - damit begann sein Militärdienst. Die zweite Lebensgeschichte, auf die der Geschichtsverein Birten in dem Heft zurückgreifen konnte, war die von Dr. Georg Bongartz, der seine Kindheit auf dem Gamerschlagshof am Grenzdyck verbracht hatte. Heft drei ist auch schon in der Planung, wird sich um die Freilichtspiele und das Amphitheater in Birten drehen. Jetzt wird gesammelt, gesichtet, im umfangreichen Archiv "gewühlt", das bei Ulrike Theußen, Vorsitzende des Vereins Freilichtspiele und beim 17 Mitglieder starken Geschichtsverein für die Finanzen zuständig, viel Platz in den Regalen einnimmt.

Geschichtsverein Birten, Römerstraße 20, Telefon 02801 2905.

(jas)
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