Top 10 Rheinland Der Dom der Heiligen Drei Könige

632 Jahre dauerte die Bauzeit an der berühmten gotischen Kathedrale in Köln, die zum Weltkulturerbe gehört. Neben dem mittelalterlichen Dreikönigsschrein zählt das viel diskutierte Richter-Fenster zu den bedeutenden Kunstwerken des Sakralbaus.

 Kölner Dom

Kölner Dom

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<p>632 Jahre dauerte die Bauzeit an der berühmten gotischen Kathedrale in Köln, die zum Weltkulturerbe gehört. Neben dem mittelalterlichen Dreikönigsschrein zählt das viel diskutierte Richter-Fenster zu den bedeutenden Kunstwerken des Sakralbaus.

Wer den Hohen Dom zu Köln nicht kennt, gehört wahrscheinlich einer Minderheit an: weil die gotische Kathedrale am Rhein zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands zählt und jährlich von über sechs Millionen Menschen besucht wird. Als vor etwa zehn Jahren damit gedroht wurde, den Dom von der Liste der Weltkulturerbestätten zu streichen, weil man auf der gegenüberliegenden Rheinseite Hochhäuser plante, hieß es selbstbewusst aus Köln: "Schade wäre das - für die Liste des Weltkulturerbes."

Ohne den Dom wäre Köln wenig; aber ohne die Gebeine der Heiligen Drei Könige gäbe es den Dom nicht. Sinnfällig zieren darum seit dem Jahr 1300 ihre drei Kronen auch das Wappen der Stadt.

Die Geburtsstunde des Doms aber schlägt in Mailand. Als Kaiser Friedrich Barbarossa 1162 zum Sturm auf die oberitalienische Stadt bläst, steht ihm Rainald von Dassel sehr dienlich zur Seite. Von Dassel ist Kanzler des Heiligen Römischen Reiches und eher nebenbei auch Erzbischof zu Köln. Jedenfalls wird es der Kirche erst 1165 gelingen, den Erzbischof zu überreden, sich auch zum Priester weihen zu lassen. Der Lohn für den kriegstüchtigen Erzbischof kann sich sehen lassen: die in einer Mailänder Kapelle aufbewahrten Dreikönigsreliquien.

Rainald von Dassel erweist sich überdies als Vermarktungskünstler: Seinen gesamten Rückweg von Norditalien bis ins Rheinland - den man vornehm als Translation (Überführung) beschreibt - inszeniert er als eine Art Werbetour. Hier und da soll er gar kleine Stoffproben der Königsgewänder verschenkt haben. Der Effekt jedenfalls soll enorm gewesen sein: Als er in Köln eintrifft, sind die Reliquien berühmt. Genau das spiegelt sich auf den Straßen Kölns wider: Ein Chronist aus dem 13. Jahrhundert berichtet, dass die gesamte Einwohnerschaft den Reliquien entgegengestürzt sein soll ("tota civitas obviam ruit") und die Gebeine mit Hymnen und Gesängen bis in den Dom geleitet haben.

Schon bald nehmen die Pilgerströme Ausmaße an, für die der alte, 870 eingeweihte karolingische Dom überfordert ist. Im April 1248 beschließt darum das Domkapitel, das Kirchenschiff niederzureißen, um eine neue und mächtige gotische Kathedrale zu bauen. Damit beginnt eine fast unendliche Baugeschichte: 632 Jahre gehen nach der Grundsteinlegung ins rheinische Land, bis der Dom 1880 nach mittelalterlichen Plänen vollendet wird. Die Kathedrale ist zwar ein Gotteshaus geblieben, doch als Symbol dient sie jetzt dem neuen Reich. Und so feiert der protestantische Kaiser Wilhelm I. die Dom-Vollendung als ein nationales Fest, an dem der amtierende Kölner Erzbischof nicht teilnimmt; Paulus Melchers ist zu dieser Zeit in der Verbannung. Der Dom zu Köln wird zu einem Dom der Deutschen.

Die späte Fertigstellung - ein Wahrzeichen hierfür war ein Baukran, der mehrere Jahrhunderte den Sturm des Südturmes zierte - hat den Dom wahrscheinlich vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bewahrt. Denn als Bomben auch die Kathedrale trafen, rettete die neuzeitliche Stahlkonstruktion des Dachstuhls das Bauwerk.

Doch auch die Gotik ist im Mittelalter eine technische Sensation: Spitzbögen und Kreuzrippengewölbe bilden ein Skelett aus Stein; das Mauerwerk ist nur noch Füllmaterial. Das wiederum lässt riesige, bunte Fensterflächen zu, durch die das Sonnenlicht in den Kirchenraum einfallen kann. Gotische Kathedralen sind lichtdurchflutete Himmelsstürmer, Kunstwerke aus Stein und Glas. Ähneln romanische Kirchen noch kompakten Trutzburgen des Glaubens, so wirkt der riesige Dom fast transparent, spielerisch mit seinen Fialen und Spitzbögen. Alles strebt nach oben; ein Kirchenschiff wie eine einzige Anbetung.

Zu Beginn der Neuzeit aber ist das nicht mehr so geschätzt: Gotik ist out, gilt als Kitsch und ein bisschen auch als architektonische Zuckerbäckerei. Der Archäologe Georg Hauser vermutet sogar, dass der Baustopp am Kölner Dom zwischen 1560 und 1842 weniger aus Geldmangel als aus Geschmacksgründen geschah.

Der Dom ist Kunst und voller Kunst. Im Zentrum steht natürlich der prächtige Dreinkönigsschrein mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige, den Nikolaus von Verdun nach fast 40-jähriger Arbeit 1230 fertigstellte. Im Mittelalter entfernte man tagsüber die reich geschmückte Trapezplatte und gab damit den Blick auf das Häupterbrett mit den drei Schädeln frei. Pilger durften kleinere Gegenstände an die Knochen halten. Solche Berührungsreliquien halfen laut mitgegebenem Zettel gegen Hausbrand und Räuber, Kopfweh und Epilepsie. Bei den heutigen Domwallfahrten ist es den Pilgern nur erlaubt, unter dem Schrein hindurchzugehen.

Es gibt im Dom Glasmalereien aus sieben Jahrhunderten zu bestaunen, das Gero-Kreuz von 976, den Altar der Stadtpatrone (um 1445); aber auch viele moderne Kunstwerke wie die Papst- und Bischofstüren, beide gestaltet von Ewald Mataré. Das spektakulärste Werk aber entstand vor acht Jahren. Ein 20 Meter hohes Glasfenster im Südquerhaus, das nach seinem Schöpfer Gerhard Richter benannt ist und aus 11 263 bunten, mundgeblasenen Antikglas-Quadraten besteht; angeordnet per Zufallsgenerator vom Computer. Für viele ist dieses Fenster, wenn das Sonnenlicht hindurchschaut und den Altarraum in ein Farbenmeer taucht, eine Sensation. Für Joachim Kardinal Meisner aber ist es bis heute ein Ärgernis geblieben.

Der Dom, der jährlich fast sieben Millionen Euro für Erhaltungsmaßnahmen kostet und nach jüngsten Berechnungen des Erzbistums 27 Euro Wert ist (ein Euro für jede der 26 Grundstücksparzellen sowie ein Euro für das Kirchengebäude), ist ein Sakralbau der Superlative. Und so wundert es nicht, dass in Deutschland auch der höchste Kirchturm der Welt zu finden ist. Allerdings steht der in Ulm. Das evangelische Münster überragt mit seiner 161,53 Meter hohen Kirchturmspitze den katholischen Kölner Dom um mehr als vier Meter.

Ein Rheinländer ist man erst, wenn man den Dom besucht hat.

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