Uni führt Nahen Osten zusammen

Der einjährige Masterstudiengang "European Studies" ist international nahezu einmalig: Dafür kommen junge Menschen aus Israel, Palästina und Jordanien nach Düsseldorf und studieren gemeinsam. Das friedvolle Zusammensein mit den Nachbarn ist für sie eine ganz neue Erfahrung.

Ein Jahr lang studieren sie gemeinsam in Düsseldorf, wohnen Tür an Tür im Studentenwohnheim, treffen sich in der Küche zum gemeinsamen Abendessen – und werden Freunde. Was für viele junge Menschen ganz selbstverständlich klingt, ist für die drei Absolventen des Masterstudiengangs "European Studies" eine einmalige Erfahrung. Denn Lina Fraj (25) kommt aus Jordanien, Michal Gezler (26) aus Israel und Ibrahim Absi (39) aus Palästina. "In unserem Alltag zu Hause wissen wir nicht, was unsere Nachbarn denken und fühlen – sie sind unsere Feinde", erklärt die junge Frau aus Israel.

Doch rund 25 Studenten aus dem Nahen Osten sind vor einem Jahr nach Düsseldorf gekommen, um das zu ändern. Im Masterstudiengang "European Studies" haben sie sich nicht nur auf theoretisch-wissenschaftlicher Ebene mit europäischer Kultur befasst. Das Ziel dieser jungen Menschen ist es, die Idee von Demokratie, Toleranz und Frieden ganz greifbar mit in ihr Heimatland zu nehmen. Sich nicht weiter abzuspalten, sondern den Kontakt zu den Nachbarn und zu der Europäischen Union zu stärken, das möchte Lina Fraj in Jordanien umsetzten. Die 25-Jährige hat bereits an der Royal Scientific Society, Amman, in ihrem Heimatland Kulturwissenschaften studiert. "Jetzt mit meinem neuen Master-Abschluss möchte ich in einem Unternehmen arbeiten, das die Zusammenarbeit zwischen dem Nahen Osten und Europa im Blick hat und stärkt."

Dabei sei das Master-Programm an der Heinrich-Heine-Universität in dieser Form selbst im internationalen Vergleich einmalig, betonte Uni-Rektor Hans Michael Piper bei der Examensfeier. Denn in dieser Woche gab es die Examensurkunden für die 24 Master-Absolventen. Besonders erfreut zeigte sich Piper darüber, dass im soeben abgelaufenen Studienjahr erstmals auch jordanische Studenten nach Düsseldorf gekommen seien. Das Verhältnis: acht Absolventen aus Israel, zehn aus Palästina, fünf aus Jordanien sowie einer aus Bulgarien.

Es ist der zweite Jahrgang, der diese Woche in Düsseldorf verabschiedet wurde. Unter der Leitung des Politikwissenschaftlers Hartwig Hummel beteiligen sich an dem jungen Studiengang Dozenten der Philosophischen, Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Das einjährige Studium umfasst acht Masterkurse zu politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen geschichtlichen und kulturellen Aspekten des "Regierens in der EU" und der "Integration europäischer Gesellschaften".

Für den Palästinenser Ibrahim Absi ist die EU absolutes Vorbild: "Ich bin tief beeindruckt von der friedvollen Haltung, der hohen Moral und der Transparenz, die in der Politik vorherrscht", sagt er. Dass Krieg zu nichts führt, dass will er weiter in sein Land tragen. " Es geht darum, nach vorne zu gucken, nicht zurück", sagt er.

Auch für den Austausch mit seinen Kommilitonen in Düsseldorf und dafür, über die Situation im Nahen Osten zu reden, ist er dankbar. "Es war eine einmalige Chance, uns näher zu kommen und Grenzen zu überwinden." Das sieht auch Michal Gezler aus Israel so, doch sie räumt ein: "Am Anfang war es nicht so einfach, über die Konflikte zu reden. Wir haben uns erst als Person kennen und schätzen gelernt und dann haben wir diskutiert."

Für die beiden ist klar, dass sie auch nach dem Studium in Kontakt bleiben werden. "Wir wollen jetzt über die Grenze schauen und uns als das sehen, was wir sind. Menschen, die Frieden wollen", da sind sich der Palästinenser und die Israelin einig. Und noch etwas verbindet die drei – auch Lina Fraj aus Jordanien. "Den Karneval und die Weihnachtsmärkte hier im Rheinland finden wir toll. Wir wollen unbedingt wiederkommen", sagt Michal Gezler.

(RP)
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