Wir in Nrw Vom Sinneswandel der neuen Landesregierung

Düsseldorf · In der Opposition lässt es sich leicht lästern. 100 Tage nach der NRW-Wahl aber hat so mancher neue Minister offenbar erkannt, dass Rot-Grün doch das eine oder andere richtig gemacht hat.

 Kirsten Bialdiga, NRW-Landeskorrespondentin der Rheinischen Post

Kirsten Bialdiga, NRW-Landeskorrespondentin der Rheinischen Post

Foto: Andreas Krebs

Unter einem Realitätsschock verstehen Psychologen den Schock beim Eintritt ins Berufsleben. Etwas Ähnliches mögen Oppositionspolitiker durchleben, die völlig unerwartet an die Macht kommen,wie Mitte Mai in NRW geschehen. Nach diesem ersten Schock setzt für gewöhnlich irgendwann die Gewöhnung an das Amt ein. Und in einer weiteren Phase folgt dann die allmähliche Veränderung der Person und ihrer Einstellungen durch das Amt.

In Düsseldorf passiert dies mancherorts zurzeit offenbar im Schnelldurchlauf. Vor allem in der Verkehrspolitik. Als im Oktober 2016 der damalige SPD-Verkehrsminister Michael ("Mike") Groschek auf der maroden Leverkusener Brücke als Folge eines jahrzehntelangen Sanierungsstaus eine Sperranlage für Lkw errichten ließ, erntete er von der Opposition Spott. Klaus Voussem, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, hatte schnell einen Spitznamen für das Projekt: "Checkpoint Mike". Als Verzweiflungstat, entstanden aus Ideenlosigkeit, hatte er die Lkw-Waage abqualifiziert.

Jetzt, kein Jahr später, heißt der Verkehrsminister Hendrik Wüst und kommt von der CDU. Auf der A40 tut sich gerade ein ähnliches Problem auf wie seinerzeit auf der A1: Jetzt ist es die Rheinbrücke Neuenkamp, die arg beschädigt ist. Zu schwere Lkw dürfen sie nicht mehr passieren. Die Lösung dafür hat Wüst auch schon präsentiert: eine Lkw-Waage. Aus dem Verkehrsministerium heißt es dazu, die Lösungen reduzierten sich eben auf das technisch Machbare.

Ein Sinneswandel zeigt sich auch beim Thema "Kein Kind zurücklassen (KeKiz)". Das zentrale Regierungsprojekt von Ex-Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) bezeichnete der damalige familienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Marcel Hafke, noch am 17. März im Landtag als "reine PR-Nummer", über die man eigentlich nur noch lachen könne. An der Kinderarmut habe KeKiz nichts ändern können, lautete sein Fazit. Die FDP werde ein eigenes Konzept präsentieren.

Das hat der neue FDP-Kinder- und Familienminister Joachim Stamp tatsächlich auch schon getan: Familien bekommen mehr Unterstützung, etwa durch flexible Arbeitszeitmodelle. Die Prävention soll flächendeckend gestärkt werden. Und da kommt auch Kekiz wieder ins Spiel. Zunächst bis Ende 2018, sagt der Minister. Um die Ergebnisse der Arbeit in den Kommunen zu evaluieren und die Finanzierung zu sichern.

Und warum auch nicht? Um seiner selbst willen alles neu zu machen, ohne es wenigstens zu prüfen, verspricht auch keine gute Politik.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(kib)
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