Düsseldorf Wurden Wehrhahn-Ermittler behindert?

Düsseldorf · Ein V-Mann des Verfassungsschutzes jobbte kurz vor dem Anschlag für den kürzlich verhafteten mutmaßlichen Bombenleger vom Düsseldorfer S-Bahnhof. Die Kripo erfuhr davon erst zwölf Jahre später.

Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags hat Dietmar Wixfort, der neun Jahre lang die Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag geleitet hat, vergangene Woche viele Fragen beantwortet. Nur eine hat die Abgeordnete der Grünen, Monika Düker, gar nicht erst stellen dürfen: Über ein Treffen des Ermittlers mit Verfassungsschützern im Februar 2012, für das er sich sogar einer erweiterten Sicherheitsprüfung unterziehen musste, sollte nicht in öffentlicher Sitzung gesprochen werden. Seinerzeit hatte Wixfort gerade das Ermittlungsverfahren neu aufgerollt, um die umfangreiche Akte auf mögliche Verbindungen zu den kurz zuvor entdeckten Verbrechen des Neonazi-Trios NSU zu untersuchen.

Tatsächlich hatte das Landesamt für Verfassungsschutz vor 17 Jahren auch in der Düsseldorfer rechtsextremen Szene Informanten, die unter anderem über die Aktivitäten der "Freien Kameradschaft" berichteten. Deren damalige Mitglieder dürften am Wochenende von der Nachricht überrascht worden sein, dass ausgerechnet "Gonzo", der sich sein Bekenntnis zum Neonazi-Netzwerk "Blood & Honour" auf den Kopf hatte tätowieren lassen, ein V-Mann gewesen sein soll. Das berichtete der "Spiegel" unter Berufung auf einen geheimen Aktenvermerk. Demnach hat die V-Mann-Rolle von "Gonzo", den der Verfassungsschutz von 1999 bis 2000 als "Apollo" führte, auch die Düsseldorfer Kripo überrascht. Denn die erfuhr erst 2012, dass der Mann, den sie nach dem Wehrhahn-Anschlag als Zeugen befragt hat, für den Geheimdienst tätig gewesen war.

Der tätowierte "Gonzo" hatte im Sommer 2000 zwei Mal Jobs von Ralf S. angenommen, der seit zwei Wochen unter dem Verdacht, der Wehrhahn-Bomber gewesen zu sein, in U-Haft sitzt. S. verkaufte seinerzeit in seinem Militaria-Laden neben Tarnkleidung, Dekowaffen und Rechtsrock-CDs auch die Dienste seiner Security-Firma. In deren Auftrag sei "Gonzo" laut Spiegel mit einem geliehenen Hund auf Streife gegangen - nur den Lohn war der chronisch geldklamme S., den der Spitzel seinem V-Mann-Führer als Ausländerfeind beschrieb, ihm schuldig geblieben. Zu den Ermittlungen der Kripo hatte "Gonzo" seinerzeit nichts beizutragen. Seine Vernehmung - eine von mehr als 1500.

Wenn er damals angab, von der Explosion nichts mitbekommen zu haben, weil er in einem anderen Stadtteil Flugblätter verteilt hatte, dann wurde das zwölf Jahre später vom Verfassungsschutz bestätigt: "Apollo" sei, berichtet der "Spiegel" aus dem Geheimvermerk, zur Tatzeit mit seinem V-Mann-Führer unterwegs gewesen - obwohl der Verfassungsschutz dem als unzuverlässig geltenden Neonazi die Zusammenarbeit bereits zwei Monate zuvor gekündigt habe. Im September 2000 habe sich "Gonzo" mit angeblichen Informationen zu dem Sprengstoffanschlag gemeldet, die seien aber unergiebig gewesen.

Dass der Verfassungsschutz den Wehrhahn-Ermittlern, die seinerzeit einen ersten Verdacht gegen Ralf S. nicht erhärten konnten und jahrelang unter "Armut an Hinweisen" litten, diese Informationen vorenthielt, soll auf Antrag der Linkspartei nächste Woche im Innenausschuss des Bundestags diskutiert werden. Im NSU-Untersuchungsausschuss steht das Thema ohnehin auf der Tagesordnung für Freitag - allerdings "aus Gründen der Fürsorge für den Zeugen" nicht öffentlich, sagte der Ausschuss-Vorsitzende Sven Wolf, der zugleich versicherte, es werde "keinen geheimen Abschlussbericht" des Ausschusses geben.

Bei dem Sprengstoffanschlag am 27. Juli 2000 waren zehn überwiegend jüdische Einwanderer aus den GUS-Staaten teils schwer verletzt worden, ein ungeborenes Baby wurde im Mutterleib getötet. Bereits wenige Stunden nach der Tat war S. ins Visier der Ermittler geraten, der in der Nähe des Tatorts lebte. Er hatte ein Alibi. Erst nachdem er 2014 während einer Haftstrafe vor einem Mitgefangenen mit der Tat geprahlt hatte, waren die Ermittlungen gegen ihn wieder in Gang gekommen und hatten letztlich vor zwei Wochen zu seiner Verhaftung geführt.

(RP)
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