Berlin 220 Millionen Kinder werden misshandelt

Berlin · Der neue Unicef-Report offenbart die grausame Wirklichkeit, in der viele Mädchen und Jungen weltweit leben.

Für Hunderte Millionen Kinder stehen die vor 25 Jahren verabschiedeten UN-Kinderrechte nach wie vor nur auf dem Papier. Mädchen und Jungen werden noch immer versklavt und zur Arbeit gezwungen, sie werden zwangsverheiratet, sexuell misshandelt und nicht selten getötet, bevor sie ihre Jugend erreicht haben.

Gewalt und Ausgrenzung seien bei der Umsetzung der 25 Jahre alten Konvention die größten Hürden, beklagte das Kinderhilfswerk Unicef bei der Vorstellung des aktuellen Reports "Jedes Kind hat Rechte" gestern in Berlin. "Gerade die ärmsten Kinder sind von sozialen und medizinischen Fortschritten oft ausgeschlossen", sagte Jürgen Heraeus, Vorsitzender von Unicef Deutschland. Immer noch sterben den Angaben zufolge 6,6 Millionen Kinder jährlich an vermeidbaren Krankheiten, bevor sie überhaupt ins Schulalter gekommen sind.

Zarte Fortschritte gibt es zwar auch zu vermelden - zumindest im Vergleich: So konnte seit 1989 die Kindersterblichkeit halbiert und der Anteil arbeitender Kinder um ein Drittel gesenkt werden. Aber Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaften dürfen sich noch längst nicht zurücklehnen. Denn bislang haben erst 35 Länder ein umfassendes gesetzliches Verbot von Gewalt durchgesetzt; in ihnen lebten aber nur fünf Prozent aller Kinder. Die Wirklichkeit, in der viele Minderjährige weltweit aufwachsen, ist nach wie vor oftmals grausam.

So erfahren nach Angaben von Unicef mehr als 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen jedes Jahr sexuelle Gewalt, besonders häufig in Kriegsgebieten. "In Entwicklungsländern sind mehr als 30 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren - einige davon nichtmal sieben Jahre alt - von frühen und erzwungenen Eheschließungen betroffen", betonte die UN-Sonderbeauftragte zu Gewalt gegen Kinder, Marta Santos Pais. "Aber auch Europa ist nicht immun."

"Deutschland hat die Konvention von Anfang an unterstützt, aber das heißt nicht, dass bei uns alles in Ordnung ist", sagte Heraeus und erinnerte daran, dass zwischen den Jahren 2000 und 2010 knapp neun Prozent der Kinder hierzulande in anhaltender Armut gelebt hätten. Zudem seien 2012 über 40 000 Kinder in Obhut genommen worden, meist seien ihre Eltern überfordert gewesen. Er appellierte an die Politik, endlich auch in Deutschland eine unabhängige Ombudsstelle für Kinder einzurichten.

Der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Ralf Kleindiek (SPD), kündigte an, dass im kommenden Jahr ein Monitoring für die Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland eingerichtet werden soll. Damit sei das Institut für Menschenrechte beauftragt worden. Zudem wolle sich das Ministerium für eine Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz einsetzen. "In bestimmten Situationen brauchen Kinder eine eigene Rechtsstellung, auch unabhängig von den Eltern", sagte Kleindiek. Auch solle das 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz überprüft werden. Der Bundestag soll bis Ende 2015 einen Bericht dazu erhalten.

(jd)
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