Mainz 50 Jahre auf Verbrecherjagd

Mainz · Heute vor 50 Jahren ging die Sendung "Aktenzeichen XY . . . ungelöst" zum ersten Mal auf Sendung. Moderator Eduard Zimmermann schrieb damit Fernsehgeschichte.

Für Jugendliche war "Aktenzeichen XY ... ungelöst" in den 60ern und 70ern so eine Art trojanisches Pferd - die Sendung lieferte ordentlichen Grusel, verpackt in den hehren Kampf gegen das Verbrechen, was viele Eltern wohl als pädagogisch wertvoll erachteten. So durften Heranwachsende zusehen, wie zur besten Sendezeit in hölzernen Einspielfilmen Axtmörder, Serienvergewaltiger und Kidnapper ihr Unwesen trieben und dabei entkamen. Was den Schauder noch verstärkte. "Neid, Missgunst und Habgier schlafen nicht", schärfte Moderator Eduard Zimmermann seinen Zuschauern ein, und schaltete am Ende um zu seinen Kollegen Konrad Tönz aus der Schweiz und Peter Nidetzky aus Österreich in der Hoffnung auf erste Fahndungsgerfolge. Auf den Tag genau 50 Jahre ist das heute her - mehr als 40 Prozent der Fälle wurden in dieser Zeit mit Hilfe der Zuschauer gelöst.

"Den Bildschirm zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen, das, meine Damen und Herren, ist der Sinn unserer neuen Sendereihe", erklärte Zimmermann, der später halb bewundernd, halb spöttisch "Ganoven-Ede" genannt wurde, dem Publikum am 20. Oktober 1967. Sachdienliche Hinweise konnte das Publikum über eine Hotline abgeben, oder, so die Bitte, via Telegrafie, sofern ein Fernschreiber im Hause sei. Außerdem könne man die Verdächtigen vom Bildschirm abfotografieren, empfahl Zimmermann. "Es könnte ja immerhin sein, dass Ihnen morgen der ein oder andere der Gesuchten über den Weg läuft." Kein Wunder, dass die Sendung ein Erfolg wurde.

In Spitzenzeiten sahen bis zu 18 Millionen Menschen zu. Für die Fälle bedeutete das eine ungeheure Aufmerksamkeit, für die Gesuchten oft das Ende ihrer Flucht. Eduard Zimmermann moderierte seine Sendung 30 Jahre lang - und bekam dafür auch Kritik. Nicht nur für seinen, gelinde gesagt, trockenen Moderationsstil, der zu Parodien geradezu aufforderte ("Aktenzeichen XY ... eingedöst"). Zuschauer würden aufgefordert, andere Menschen zu denunzieren, hieß es. Auch die Einspielfilme, in denen bis heute Verbrechen nachgestellt werden, lehnten manche ab. Zu realistisch, zu voyeuristisch, fanden sie, ein Wegbereiter des Reality TV. "Zugegebenermaßen haben wir als Erste über die Verbrechens-Realität berichtet. Somit haben wir unbewusst und ungewollt zur Entwicklung beigetragen", sagt Zimmermann bei seinem Abschied 1997. "Aber mit anderen TV-Sendungen, die später folgten, sind wir nicht zu vergleichen." Der Moderator, der 1976 den Opferhilfe-Verein "Weißer Ring" ins Leben rief, wurde für sein Engagement vielfach geehrt.

Eine "außerordentliche Relevanz" bescheinigt Rudi Cerne, seit 2002 Moderator von "Aktenzeichen XY ... ungelöst", dem Format heute noch. Bei diesem "Flaggschiff der deutschen Fernsehlandschaft" habe man zwar an einzelnen Stellschrauben gedreht, den Ursprung jedoch nie verändert. In der Tat würden die Filme oft leichten Grusel hervorrufen, allerdings nicht, weil sie ungefilterte Gewalt zeigen würden. Unheimlich sind sie, weil die Straftaten real sind, vorgetragen von Ermittlern, für die die Tätersuche via Fernsehen mitunter die letzte Hoffnung auf eine Klärung des Falles ist. "Du kannst nicht sagen, das hat sich ein kreativer Drehbuchautor ausgedacht. Nein, es ist wirklich passiert", erklärt Cerne.

Etliche Schauspieler absolvierten am Anfang ihrer Karriere bei "Aktenzeichen XY" einen kleinen Auftritt - Heiner Lauterbach etwa als Überfallopfer und Christine Neubauer als Freundin eines Mordopfers. Allerdings konnte das Mitwirken in einem Einspielfilm auch Probleme verursachen. Am 19. April 2012 wurde Aaron Defant im Zusammenhang mit einem XY-Fall von der Polizei kontrolliert. Schnell stellte sich aber heraus, dass der Schauspieler den gesuchten Juwelendieb lediglich für die Sendung verkörpert hatte. Übrigens gab es die Filmchen in harmloserer Version, auch in einer Sendung von Eduard Zimmermann. "Vorsicht Falle!" hieß die und warnte vor "Neppern, Schleppern und Bauernfängern". Aber das ist eine andere Geschichte.

(RP)
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