Köln 635.000 Euro für Kachelmann

Köln · Das Landgericht Köln hat den Springer-Verlag zu einem Rekord-Schmerzensgeld an den ehemaligen ARD-Wettermoderator verurteilt. Verlangt hatte er für die seiner Meinung nach unfaire Berichterstattung 2,25 Millionen.

Viereinhalb Jahre nach seinem Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung feiert Jörg Kachelmann einen weiteren Erfolg vor Gericht. Das Landgericht Köln hat den Medienkonzern Axel Springer dazu verurteilt, 635.000 Euro Schmerzensgeld an den Wetterexperten zu zahlen. Mit Zinsen soll sich die Summe laut Kachelmanns Anwalt sogar auf 800.000 Euro belaufen. Die Richter sahen die Persönlichkeitsrechte des Moderators durch Springer-Publikationen verletzt. In den Jahren 2010 und 2011 hatten "Bild" und "Bild am Sonntag" ausführlich über den Strafprozess gegen Kachelmann berichtet. Das Gericht blieb aber unter den Forderungen des 57-Jährigen - der Moderator hatte 2,25 Millionen Euro verlangt. Die Höhe der Entschädigung bezeichnete Springer als "irrwitzig". Sowohl der Verlag als auch Kachelmann wollen in Berufung gehen.

Im März 2010 war der Wetterexperte wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verhaftet worden. Angezeigt hatte ihn eine Ex-Geliebte. Über den monatelangen Strafprozess wurde von vielen Medien intensiv berichtet. Im Mai 2011 wurde der Wettermoderator vom Landgericht Mannheim freigesprochen. Bei der Berichterstattung über den Prozess sah Kachelmann mehrfach seine Persönlichkeitsrechte verletzt, konnte sich vor Gericht aber nicht immer durchsetzen. Ende 2013 hatte er beim Landgericht Köln Schmerzensgeldklagen gegen die Verlage Springer und Burda eingereicht. Insgesamt forderte er 3,25 Millionen Euro Entschädigung wegen angeblicher Rechtsverstöße in der Berichterstattung. Mit Hubert Burda Media legte Kachelmann den Streit im Mai dieses Jahres durch einen Vergleich bei. Finanzielle Details wurden nicht bekannt.

Der Springer-Verlag entschied sich dafür, den Streit juristisch auszufechten. Die Richter urteilten nun, Kachelmann sei "durch die Preisgabe von Informationen über sein Sexualleben, durch die teilweise wörtliche Veröffentlichung seines SMS- und E-Mail-Verkehrs und durch die Veröffentlichung von Fotos, die ihn zum Beispiel beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt zeigten, in seiner Intimsphäre, seinem informellen Selbstbestimmungsrecht und seinem Recht am eigenen Bild verletzt worden". Das Gericht konnte hier kein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit erkennen. Zudem sei es durch die Berichte zu unzulässigen Vorverurteilungen Kachelmanns gekommen. Kachelmann werde damit auch in Zukunft als "frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch" stigmatisiert. Dagegen sah das Gericht "keine vom Kläger angeführte Pressekampagne mit anderen Verlagen".

Der Vergewaltigungs-Prozess hat auch Kachelmanns berufliches Leben verändert: Rund zwei Jahre nach dem Freispruch schied der Moderator aus dem von ihm gegründeten Unternehmen Meteomedia aus. Kurz danach wurde es verkauft. Kachelmann betreibt heute einen Youtube-Kanal mit Wetteransagen und arbeitet zeitweise für Radio Basel und das Aschaffenburger Privatradio Primavera.

Von der Entschädigungssumme entfallen 335.000 Euro auf Berichte in "Bild" und "Bild am Sonntag" sowie 300.000 Euro auf "bild.de". Springer verwies zudem darauf, dass Kachelmann etwa 70 Prozent der bisherigen Gerichts- und Anwaltskosten zahlen müsse. Das Gericht habe die Auffassung vertreten, dass die "Bild"-Zeitung nicht vorsätzlich gehandelt habe. Demnach könne "Bild" nur der Vorwurf gemacht werden, "auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben".

Laut Springer war die höchste Geldentschädigung in Deutschland eine vom OLG Hamburg zugesprochene Summe von 400.000 Euro für Artikel über die schwedische Prinzessin Madeleine. Damals sei es um 42 der Prinzessin zugeschriebene Falschzitate, 52 Fotomontagen sowie Falschbehauptungen gegangen. Damit sei die "Bild"-Berichterstattung über den Moderator nicht ansatzweise zu vergleichen.

Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker sagte, das Urteil sei die Quittung für die "schlimmste Hetzkampagne der deutschen Presserechtsgeschichte". Springer verwies hingegen darauf, dass das Gericht den Kampagnenvorwurf nicht bestätigt habe. Man werde in die Berufung gehen. "Denn es liegt weder im Interesse einer freien Presse noch der Öffentlichkeit, dass Medien irrwitzige Geldentschädigungen zahlen müssen, wenn sie über aufsehenerregende Strafprozesse gegen bekannte Persönlichkeiten berichten."

(RP)
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