Kathmandu 82 Stunden unter Trümmern überlebt

Kathmandu · In Kathmandu ist ein 27-Jähriger aus den Trümmern eines eingestürzten Hotels gerettet worden. Fünf Tage nach dem verheerenden Beben ist die Lage in der Region weiter dramatisch. 1,4 Millionen Menschen brauchen Lebensmittel.

Er hatte die Hoffnung schon aufgegeben. "Ich war sicher, dass ich sterben muss", sagt Rishi Khanal. 82 Stunden war der 27-Jährige lebendig unter den Trümmern eines dreistöckigen Hotels begraben. In völliger Dunkelheit, umgeben von Leichen. Er trank seinen eigenen Urin, um nicht zu verdursten. Erst nach über drei Tagen hörten französische und nepalesische Retter schließlich sein Klopfen, befreiten ihn aus den Ruinen - völlig am Ende, aber lebend.

Kleine Wunder wie diese sind es, die ein wenig Hoffnung verbreiten in diesen Tagen der Not. Fünf Tage nach dem verheerenden Beben ist die Lage in der Erdbebenregion weiter dramatisch. Das Ausmaß der Not ist überwältigend: Die Regierung rechnet mit über 10 000 Toten. Nach offiziellen Angaben sind es bisher mehr als 5000. Laut UN brauchen 1,4 Millionen Menschen dringend Nahrungsmittel, viele davon in schwer erreichbaren Bergdörfern. Zehntausende sind obdachlos, Tausende verletzt. Botschaften suchen weiter nach Staatsbürgern. Auch 100 deutsche Touristen werden noch vermisst.

An mehreren Orten soll es zu Unruhen, Plünderungen und Kämpfen um Wasser und Essen gekommen sein. Die Wut auf die Regierung und die schleppende Hilfe wächst, auch ausländische Helfer klagen über schlechte Koordination und völliges Chaos. In Langtang, einem beliebten Trekking-Gebiet, soll es zu Auseindersetzungen zwischen Touristen und Einheimischen um Essensvorräte und Plätze in Rettungshubschraubern gekommen sein, berichteten Medien. In Kathmandu gab es gestern an einer Busstation Tumulte zwischen Polizei und Bewohnern, als Überlebende einen Laster mit Trinkwasser stoppten und plünderten. Tausende warten dort auf einen Platz in den völlig überfüllten Bussen, um die Stadt zu verlassen.

Doch die Busse reichen vorne und hinten nicht. Erboste Demonstranten attackierten Fahrzeuge mit Stöcken und Steinen, während Polizisten versuchten, die aufgebrachte Menge in Schach zu halten. "Wir warten hier seit Tagesanbruch. Man hat uns versprochen, dass 250 Extra-Busse bereitstehen. Aber kein einziger ist gekommen", schimpft der 25-jährige Student Kishor Kavre. Mindestens 100 000 Menschen sollen bereits aus der Hauptstadt geflohen sein.

"Ich habe zu viel Angst, in Kathmandu zu bleiben", sagt Raja Gurung, der in sein Heimatdorf will. Es mangelt an allem, an Wasser, Nahrung, Decken, Medikamenten und Toiletten. Die Preise für Lebensmittel haben sich vervielfacht. Die Angst vor Seuchen geht um. Der Regen zerrt an den Nerven der Menschen, die seit Tagen in Zelten oder unter Planen im Freien ausharren. Immerhin öffneten die Banken stundenweise wieder und füllten die Geldautomaten auf. Auch Strom fließe teils wieder. Erste Menschen kehrten zurück in ihre Häuser.

Inzwischen erreichen erste Hilfslieferungen auch die entlegenen Dörfer um das Epizentrum bei Lamjung etwa 100 Kilometer von Kathmandu entfernt. Auch ein deutsches Team mit Spürhunden machte sich auf den Weg. Wo immer die Helfer auftauchen, werden sie sofort von verzweifelten Menschen umringt, die um Wasser, Essen und medizinische Hilfe betteln. Doch wegen des stürmischen Wetters müssen die Hubschrauber immer wieder am Boden bleiben. Andernorts versuchen Soldaten, zu Fuß zu den Dörfern zu gelangen.

Immer mehr Helfer aus aller Welt strömen ins Land. Laut UN sind nun 37 Suchteams mit mehr als 500 Spezialisten vor Ort. Die Regierung hat die Hilfsorganisationen gebeten, keine neuen Suchteams mehr zu entsenden. Die Chancen schwinden stündlich, noch Überlebende zu finden. "Nach den ersten 72 Stunden sinken die Überlebensraten dramatisch", sagt Wojtek Wilk vom Polnischen Zentrum für Internationale Hilfe. "Am fünften Tag gehen sie gegen Null."

(RP)
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