Essen Anschlag auf Sikh-Tempel wurde geprobt

Essen · In einem Skaterpark in Gelsenkirchen wurden mehrere Sprengsätze zu Testzwecken gezündet. Dafür wurde gestern ein 18-Jähriger vor dem Essener Landgericht zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Der Bombenanschlag auf das Gebetshaus der Essener Sikh-Gemeinde soll akribisch geplant und vorbereitet gewesen sein. Schon drei Monate vor der Tat vom April trafen sich mehrere Jugendliche in Gelsenkirchen zu zwei Probesprengungen in einem Skaterpark. Aus dieser Gruppe wurde gestern ein 18-Jähriger vom Essener Landgericht zu zweieinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Gelsenkirchen noch zwei Jahre Jugendhaft verhängt. Weil sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Berufung eingelegt hatten, war der Fall in der nächsten Instanz noch einmal neu verhandelt worden.

Die beiden Probesprengsätze waren Anfang Januar gezündet worden. Die Chemikalien sollen die beteiligten Jugendlichen im Internet bestellt haben. Der nun verurteilte Gelsenkirchener soll unter anderem beim Bau der Bomben geholfen und die Detonationen später mit seinem Handy gefilmt haben.

Wegen des jugendlichen Alters des Angeklagten fand die Verhandlung komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nach Angaben von Gerichtssprecher Johannes Hidding kamen die Berufungsrichter zu dem Schluss, dass sich der 18-Jährige auch nach seiner Inhaftierung offenbar nicht aus seiner damaligen Gedankenwelt gelöst hat.

An dem Anschlag auf den Sikh-Tempel Mitte April waren nach derzeitigem Ermittlungsstand nur zwei heute 17-Jährige aus Gelsenkirchen und Schermbeck und ein 16-jähriger Jugendlicher aus Essen beteiligt. Ihnen wird derzeit am Landgericht Essen der Prozess gemacht. Sie sollen die Bombe gebaut und gezündet haben, um "Ungläubige" damit zu töten. Versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, Herbeiführen einer Explosion und Sachbeschädigung, alles aus islamistischen Motiven, wirft die Anklage ihnen vor.

Die drei Jugendlichen, die alle in Deutschland geboren wurden, sollen sich 2015 über soziale Netzwerke kennengelernt haben. Im Laufe der Zeit hätten sie sich radikalisiert. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen sollen sie eine Gruppe gebildet haben, die über einen Chatanbieter in Verbindung stand. Für die Bombe wurde ein Feuerlöscher mit Sprengstoff gefüllt. Die Chemikalien dafür soll der junge Mann aus Essen im Internet bestellt haben. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten aus Gelsenkirchen und Essen vor, diese Bombe dann vor der Eingangstür gezündet zu haben. Der Angeklagte aus Schermbeck soll an der Planung und Vorbereitung beteiligt gewesen sein.

Der angeklagte Jugendliche aus Gelsenkirchen, Yusuf T., hatte bereits seit November 2014 am nordrhein-westfälischen Projekt "Wegweiser" teilgenommen, einem Präventionsangebot, das gefährdete oder schon radikalisierte junge Salafisten in die Gesellschaft zurückführen soll. Schon damals habe sich das Kind als typischer Salafist gezeigt, hatte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, Ende April gesagt. Yusufs Verteidiger Burkhard Benecken bezeichnet die Tat als "völlig missratenen Dummejungenstreich". Yusuf selbst sei geständig, die Bombe gezündet zu haben, sagte er. "Wir sagen allerdings, er hat nicht versucht, Menschen umzubringen." Sein Mandant stehe dazu, dass er auf dem völlig falschen Weg war. "Er wendet sich heute ganz klar von diesen falschen Vorstellungen ab und sagt: ,Das war alles ein paranoider Wahnsinn, den ich heute selbst nicht mehr nachvollziehen kann.'"

Für die Opfer ist diese Erklärung nur schwer zu ertragen. "Die Gemeindemitglieder sind bis heute noch geschockt", betonte Jan Czopka, der Nebenklage-Anwalt des damals schwer verletzten Priesters.

(dpa)
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