Vatikan 3420 Missbrauchs-Verdachtsfälle in zehn Jahren

Genf · Beim Vatikan sind in den vergangenen zehn Jahren 3420 "glaubwürdige Beschuldigungen" von Priestern wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen eingegangen.

Im Zeitraum von 2004 bis 2013 seien 848 Priester in den Laienstand zurückversetzt und 2.572 mit anderen Strafen belegt worden, sagte Vatikanbotschafter Erzbischof Silvano Tomasi bei der Erörterung eines turnusmäßigen Berichts vor dem UN-Antifolterkomitee am Dienstag in Genf.

Der Heilige Stuhl hat vor dem UN-Antifolterkomitee seine Praxis der Strafverfolgung von Missbrauchsfällen verteidigt. Pädophile Täter hätten eine "doppelte Linie der Bestrafung" zu gewärtigen, nämlich eine kirchenrechtliche Sanktion und Strafen durch ein staatliches Gericht, sagte der Vatikanvertreter Erzbischof Silvano Tomasi bei der Erörterung eines turnusmäßigen Berichts vor dem UN-Antifolterkomitee am Dienstag in Genf. Zugleich räumte er ein, es sei falsch gewesen, pädophile Kleriker therapieren zu wollen, wie das in früheren Jahrzehnten geschehen sei. Dadurch hätten Täter "Gelegenheit zur Wiederholung" bekommen. "Das war leider ein Fehler, wie die Erfahrung gezeigt hat", sagte Tomasi.

Inzwischen gebe es enorme Fortschritte im Umgang mit Missbrauchstätern "durch die Institution, die katholische Kirche genannt wird", sagte Tomasi und fügte hinzu: "Und ich bin sicher, dass andere Institutionen folgen werden." Zur Zusammenarbeit mit der weltlichen Justiz sagte der Diplomat, bei nachgewiesenen Straftaten in einem kirchenrechtlichen Prozess werde der Betreffende auch der weltlichen Justiz übergeben. Zur Zahl der Fälle konnte Tomasi keine Angaben machen. Missbrauch sei eine "weltweite Plage". Seit zehn Jahren gehe der Vatikan "systematisch, konstruktiv und effektiv" dagegen in einer Weise vor, die Vorbild für andere Einrichtungen sein könne.

Mit Blick auf 848 Priester, die in den vergangenen zehn Jahren strafweise in den Laienstand zurückversetzt wurden, betonte der Diplomat, diese Männer unterstünden nicht mehr der Verantwortung ihrer früheren Bischöfe. Die kirchenrechtlichen Sanktionen gegen 2.572 Geistliche im Zeitraum von 2004 bis 2013 seien in der Regel mit Auflagen verbunden, dass sie nicht mehr mit Minderjährigen in Kontakt kämen. Dabei handle es sich um "eine klare Politik, eine klare Richtlinie". Schon bei einem substanziellen Verdacht werde ein Priester vorsorglich suspendiert, so dass es "keine Möglichkeit für weitere Schädigung" gebe.

Tomasi bestritt, es gebe eine Politik der Straflosigkeit seitens des Heiligen Stuhls. Der Vatikan habe das Bestreben, "das Haus zu säubern" und dafür zu sorgen, dass sich Missbrauch nicht wiederhole. Zugleich verwahrte er sich gegen die Forderung, der Vatikanstaat müsse strafrechtlich gegen katholische Kirchenmitarbeiter weltweit vorgehen. Eine solche Praxis würde "Konfusion" erzeugen. "Kein Staat würde eine solche Ausübung der Jurisdiktion erlauben", sagte der Vatikanvertreter.

Seit 1950 zahlten katholische Diözesen und Orden laut Tomasi 2,5 Milliarden US-Dollar (1,8 Milliarden Euro Tageskurs) an Entschädigungen an Missbrauchsopfer. Hinzu kamen demnach 78 Millionen Dollar (56 Millionen Euro) für therapeutische Maßnahmen der Opfer. Der Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf äußerte sich bei der Anhörung zum Rechenschaftsbericht über die Umsetzung der UN-Konvention gegen Folter und andere unmenschliche Behandlung. Der Vatikan stellt sich erstmals seit seinem Beitritt zu dem Abkommen 2002 der Überprüfung.

(KNA)
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