Reaktionen auf Dioxin-Skandal Agrarminister drohen mit Haftstrafen

Berlin (RPO). Als Konsequenz aus dem jüngsten Skandal um dioxinbelastete Eier und Fleisch wollen die Agrarminister der Bundesländer über harte Strafen und strengere Kontrollen diskutieren. Nur mit abschreckenden Sanktionen seien die "Scharlatane der Branche" zu beeindrucken

Noch im Januar wollen die Minister über Konsequenzen aus dem Skandal um giftiges Dioxin in Tierfutter beraten. Der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz, Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU), kündigte am Mittwoch in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" ein Treffen der Minister am Rande der bevorstehenden Grünen Woche in Berlin an. "Es bedarf in erster Linie deutlich schärferer Strafen bei Verstößen gegen das Lebens- und Futtermittelrecht", sagte Reinholz. Nur mit harten, abschreckenden Sanktionen seien die "Scharlatane der Branche" zu beeindrucken.

Bisher drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden. Zudem werde es darum gehen, den Informationsaustausch zwischen den Ländern weiter zu verbessern und die Spielregeln für den Vertrieb von Futtermitteln zu verschärfen, sagte Reinholz. Bei den Kontrollen der Futter- und Lebensmittelbranche sieht er hingegen keinen Handlungsbedarf. Das Kontrollniveau sei bereits sehr hoch.

Foodwatch mahnt

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordert von der Bundesregierung gesetzlich vorgeschriebene Kontrollen der Futtermittelhersteller. "Man müsste den Futtermittelherstellern nur vorschreiben sicherzustellen, dass sie nur solche Zutaten verwenden, die die gesetzlichen Grenzwerte einhalten", sagte Foodwatch-Sprecherin Christiane Groß der "Berliner Zeitung".

Jede Charge jeder Zutat eines Futtermixes müsse routinemäßig vom Futtermittelhersteller getestet werden. Häufig seien es Fette und Öle, die die chemische Substanz enthalten. Wie bei einem Kuchen würden für Tierfutter mehrere Zutaten mit Fett vermischt. "Sollte in nur einer Zutat Dioxin sein, landet sie über die Fütterung am Ende eben auch in den Eiern, der Milch und dem Fleisch", sagte Groß. "Solange man die Zutaten nicht prüft, wird Dioxin immer wieder auf unseren Tellern landen."

Bauernverband will Gesetzesverschärfung

Der Deutsche Bauernverband pocht auf eine Gesetzesverschärfung: "Wir fordern, dass Betriebe, die technische Fette produzieren, in Zukunft grundsätzlich nicht mehr Produkte für die Nahrungsmittelkette liefern dürfen. Da bedarf es einer neuen gesetzlichen Regelung", sagte der Generalsekretär des Bauernverbandes, Helmut Born, unserer Redaktion.

Außerdem fordert er eine Entschädigung für die betroffenen Landwirte: "Für uns Landwirte ist wichtig zu klären, wo die Ursache für den Schaden liegt. Wenn die Landwirte nun ihre Produkte nicht verkaufen können, entstehen sehr schnell Schäden in der Größenordnung von 10 000 Euro und mehr pro Woche", sagte Born.

Frage des Risikos

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner kündigte in der "Berliner Zeitung" an, gemeinsam mit den zuständigen Bundesländern zu prüfen, ob und wie die Zulassungsbedingungen für Betriebe, die Futtermittelrohstoffe liefern, verschärft werden müssen: "Es stellt sich die Frage, ob es nicht ein zu hohes Risiko darstellt, wenn Betriebe, die Bestandteile für Futtermittel liefern, gleichzeitig technische Produkte vertreiben, die unter keinen Umständen in Lebensmittel oder Futtermittel gelangen dürfen", sagte Aigner.

Am Montag war bekannt geworden, dass über einen Hersteller von Fetten für Futtermittel Dioxin in den Lebensmittelkreislauf geraten ist. Nach bisherigen Erkenntnissen hat der schleswig-holsteinische Betrieb dioxinverseuchte Bestandteile des Futterfettes aus den Niederlanden bezogen. Diese sollen von einer Biodieselanlage der deutschen Petrotec AG stammen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Aigner sagte, es dürfe nicht sein, dass auf einem Betriebsgelände womöglich ein Knopfdruck genüge, um durch das Öffnen eines falschen Ventils hochriskante Stoffe, die dort legal lagerten, illegal in Futtermittel einzumischen. "Dem müssen wir einen Riegel vorschieben", erklärte Aigner.

Zahl der Kontrolleure

Mehr Transparenz und Kontrollen fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Kontrollen müssten zahlreicher und effizienter werden, forderte vzbv-Chef Gerd Billen. Dies betreffe die staatliche Lebensmittelüberwachung und die Eigenkontrollen der Wirtschaft gleichermaßen. Die Kontrolldichte sei je nach Bundesland bislang sehr unterschiedlich, so seien in Niedersachsen zwölf Kontrolleure für jeweils 1000 Betriebe zuständig, in Baden-Württemberg sei es hingegen nur einer.

Zudem sei die aktive Information der Öffentlichkeit bislang lückenhaft, da sie im Ermessen der örtlich zuständigen Behörden liege.

Kriminelle Energie

Der Grünen-Politiker Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, sagte, immer wieder werde bei Lebensmittelskandalen sichtbar, mit welcher kriminellen Energie Teile der Futtermittelindustrie arbeiteten.

Auch der Bundestag wird sich mit dem Thema beschäftigen, wie der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Hans-Michael Goldmann (FDP) den "Ruhr Nachrichten" sagte. Am 12. Januar soll es voraussichtlich eine Sondersitzung zu dem Skandal um Dioxin in Tierfutter geben.

(RTR/dapd/AFP)
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