Todesschütze von Trayvon Martin angeklagt Amerika steht vor einem schwierigen Prozess

Sechs Wochen, nachdem George Zimmerman den 17-jährigen Trayvon Martin erschossen hat, kommt der Fall vor Gericht. Erst nach einem öffentlichen Sturm der Entrüstung reagierte die Justiz. Womöglich zu spät. Die Stimmung ist aufgeheizt, aber die Faktenlage vertrackt. Derzeit spricht einiges für einen Freispruch.

USA: Tod eines 17-jährigen Schwarzen löst Proteste aus
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USA: Tod eines 17-jährigen Schwarzen löst Proteste aus

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Sechs Wochen nach den Todesschüssen auf den unbewaffneten schwarzen Teenager hat die US-Justiz den Täter angeklagt. Der Fall hat spektakuläre Züge. Er hat offenbart, wie dünn das Eis ist, auf dem die Nation sich bewegt. Der nur notdürftig kaschierte Rassismus im Alltag der USA ist zurück in der Öffentlichkeit.Tausende protestierten, der Kapuzenpulli, den Trayvon zum Zeitpunkt seines Todes trug, wurde zum Symbol des Protests.

Bis heute spaltet der Fall die USA: Laut einer Umfrage der "Washington Post" glauben 80 Prozent der Schwarzen, aber nur 38 Prozent der Weißen, dass die Tötung des Jungen ungerechtfertigt war.

Schärfer als erwartet

Noch am Mittwoch war der Todesschütze untergetaucht. Seine Anwälte wussten von nichts. In der Nacht zu Donnerstag die überraschende Wende: Der 28-jährige Zimmerman - ein Latino - stellte sich bei der Polizei.

Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage erhoben. Mord mit bedingtem Vorsatz, so lautet der Vorwurf gegen Zimmerman. Mit der scharfen Anklage überraschte die Sonderermittlerin der Staatsanwaltschaft, Angela Corey, auch die Beobachter vor Ort. Im Falle einer Verurteilung droht ihm mit dieser Anklage laut Medienberichten lebenslange Haft. Zuvor hatten viele Beobachter mit einer Anklage wegen Totschlags gerechnet.

Töten - ganz legal

Ursprünglich hatte die US-Polizei Zimmerman auf freiem Fuß gelassen. Der hatte angegeben, Trayvon Martin aus Notwehr erschossen zu haben. Das ist durch das Landesrecht in Florida gedeckt. Das berüchtigte Notwehrgesetz "Stand your ground" sieht vor, dass jeder freie US-Bürger sich mit der Waffe verteidigen kann, wenn er bedroht wird. Töten ist soweit eine ganz legale Sache.

Corey betonte eindringlich, die Entscheidung zur Anklageerhebung mit dem Vorwurf des sogenannten "Second Degree Murder" sei ihr nicht leicht gefallen. Es handele sich um einen "schwierigen Fall". Doch dem Opfer müsse Gerechtigkeit widerfahren. Zugleich betonte sie aber: "Wir klagen nicht wegen öffentlichen Drucks oder wegen Eingaben an... Wir klagen auf der Grundlage von Fakten an."

Auf welche Fakten sich die Ermittlerin beruft, ist derzeit noch nicht öffentlich bekannt. Doch sicher ist, dass sie im anstehenden Prozess eine ganz entscheidende Rolle spielen werden. Derzeit ist die Lage verworren, Aussage steht gegen Aussage. An der Aussage Zimmermans, den 17-Jährigen aus Notwehr erschossen zu haben, sind in den vergangenen Wochen ebenso Zweifel laut geworden, wie an dem Szenario von Martins Anwälten.

Was genau geschah am 26. Februar?

Er sei auf den Jungen gestoßen, als er in seiner Nachbarschaft in Sanford freiwillig auf Sicherheitspatrouille gewesen sei. Der 1,84 große Junge im Kapuzenpulli habe auf ihn verdächtig gewirkt. Zimmerman folgte ihm im Auto. Mehrfach telefonierte er mit der Polizei, die Gespräche wurden mitgeschnitten.

"Der guckt sich verdächtig um und hat nichts Gutes vor", soll Zimmerman der Polizei mitgeteilt haben. Ob er dabei auch ein rassistisches Schimpfwort benutzte oder gar Hilferufe zu hören sind, wie in US-Medien spekuliert wird, ist unklar.

Der Aufforderung, die Verfolgung abzubrechen, soll sich Zimmerman allerdings widersetzt haben. Sein Vater hingegen beteuert, es sei zu einer zweiten zufälligen Begegnung gekommen. Demnach griff Martin den kleineren, aber deutlich schweren Mann von der Bürgerwehr von hinten an, als der aus seinem Wagen gestiegen war, um nach dem Verdächtigen Ausschau zun halten.

Indizien sprechen für Zimmerman

Zimmerman berichtete, der Teenager habe ihn mit der Faust zu Boden gestreckt und seinen Kopf auf den Bürgersteig geschlagen. Dann fiel der Schuss. Er traf Trayvon Martin in die Brust. Notwehr, sagt der Beschuldigte. Zimmerman will in einer mündlichen Verhandlung nächste Woche auf nicht schuldig plädieren, wie dessen neuer Verteidiger mitteilte. Indizien stützen die Version des Latinos. Auf einem Video einer Überwachungskamera ist US-Medienberichten nach zu sehen, dass Zimmerman tatsächlich eine Wunde am Hinterkopf hatte.

Der Anwalt von Martins Familie warf Zimmerman dagegen vor, den Jugendlichen "kaltblütig" ermordet zu haben. Seine Version spiegelt die aufgeheizte Stimmung, die auch die amerikanischen Medien mit befeuert haben. Viele Berichte erlagen der Versuchung, das Foto des kleinen Buben Trayvon Martin dem des bullig-bissigen George Zimmerman gegenüberzustellen. Kleiner Junge wird beim Süßigkeitenholen vom waffengeilen Möchtegernpolizisten erschossen, so die version, die vermutlich bei vielen Lesern hängen blieb.

Ein Prozess im Brennpunkt des Interesses

Die Eltern des Jungen zeigten sich angesichts der Anklage erleichtert, vermieden aber jegliche Geste des Triumphs. "Wir wollten bloß eine Festnahme, nicht mehr und nicht weniger. Nun haben wir sie", sagte Trayvons Mutter Sybrina auf einer bewegenden Pressekonferenz in Washington. "Danke, danke, Herr, danke, Jesus", fügte sie hinzu.

Zu einem möglichen Strafmaß wollte sich die Sonderermittlerin nicht äußern. Auch wann ein möglicher Prozess beginnen könnte, blieb bisher offen. Der öffentliche Druck ist gewaltig. Die Geschworenen müssen damit rechnen, dass ihre Urteilsbegründung in der Öffentlichkeit auseinandergenommen werden wird. Sollten nur die leistesten Zweifel daran aufkommen, dass Zimmerman ein gerechtes Urteil erhält, werden die Emotionen erneut hochkochen.

mit Material von dpa und AFP

(dpa/AFP)
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