Tödliche Attacke auf Regierungsviertel in Ottawa Kanadische Polizei: Ein Angreifer und ein Soldat sind tot

Ottawa · Ein oder mehrere Täter haben im kanadischen Regierungsviertel in Ottawa einen Soldaten getötet und einen Wachmann im Parlament angeschossen. Im Parlamentsgebäude selbst fielen am Mittwoch Dutzende Schüsse. Ein Täter kam nach Angaben der Polizei um. Die Hintergründe der Anschläge blieben zunächst völlig unklar.

Ottawa - Schüsse im kanadischen Parlament
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Medienspekulationen, wonach Islamisten hinter den Verbrechen stehen könnten, bestätigten die Behörden zunächst nicht. Kanada beteiligt sich im Irak an den Luftangriffen des von den USA geführten Bündnisses auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Auch Berichte über einen angeblich flüchtigen Täter bestätigte die Polizei nicht. Stunden nach den Anschlägen wollte oder konnte die Polizei nicht sagen, wie viele Täter tatsächlich beteiligt waren. Selbst die Fragen nach der Staatsangehörigkeit des getöteten Täters und nach der Tatwaffe wurden nicht beantwortet.

Mehrere Menschen wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht. Noch Stunden nach den Anschlagen war die Lage völlig undurchsichtig - die Bevölkerung wurde zur Wachsamkeit aufgerufen. Der Soldat, dessen Name vorerst nicht bekanntgegeben wurde, starb nach Schüssen auf das Weltkriegsdenkmal in der Nähe des Parlaments. Berichte über eine weitere Schießerei in einem nahe gelegenen Einkaufszentrum bewahrheiteten sich nicht.

US-Präsident Barack Obama wurde ständig über die Lage unterrichtet. Das war ein Zeichen, dass ein Zusammenhang mit dem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus nicht ausgeschlossen wurde. US-Regierungssprecher Josh Earnest sagte allerdings, es sei noch zu früh, darüber zu urteilen. Die Sicherheitsmaßnahmen am Grab des unbekannten Soldaten in Washington wurden verschärft.

Erst am Montag hatte ein mutmaßlicher Islamist zwei kanadische Soldaten mit dem Auto überfahren. Ein Soldat starb, der Täter wurde nach einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen. Die Polizei rief am Mittwoch alle Kanadier zur Wachsamkeit auf. "Bitte achten Sie auf verdächtige Vorgänge und melden Sie sie der örtlichen Polizei", sagte Gilles Michaud von der Royal Canadian Mounted Police in Ottawa.

Zugleich räumte er ein, dass es noch viele Unklarheiten gebe. Viele Fragen könten noch nicht beantwortet werden. "Aber ich verspreche Ihnen diese Antworten, sobald wir sie haben", sagte Michaud. Zugleich versicherte er, dass die Kanadier sicher seien.

Die ersten Schüsse fielen laut Polizei um 9.52 Uhr Ortszeit (15.52 deutscher Zeit) am Denkmal. Der niedergeschossene Soldat kam schwer verwundet ins Krankenhaus, wo er drei Stunden später seinen Verletzungen erlag. Ein Krankenhaus bestätigte die Einlieferung von drei Patienten, von denen zwei in stabilem Zustand seien.

Medien zufolge beschrieben Zeugen einen Täter als langhaarigen Mann. Er habe nach den Schüssen auf den Soldaten mit seinem Gewehr zum Parlamentsgebäude gegangen. Das Fernsehen zeigte dramatische Bilder aus dem Parlamentsgebäude: Schwer bewaffnete Polizeibeamte liefen auf der Suche nach den Tätern geduckt über die Gänge, als Schüsse fielen. Premierminister Stephen Harper, der sich auch im Gebäude befand, wurde umgehend in Sicherheit gebracht. Parlamentarier twitterten, dass während der Sitzung etwa 30 Schüsse zu hören gewesen seien. Passanten versuchten, dem getroffenen Soldaten erste Hilfe zu leisten.

Nach Angaben der Polizei hatte es zuvor keinen konkreten Hinweis auf das Verbrechen gegeben. Die Sicherheitsstufe war auf mittlerem Niveau. "So ist sie seit Jahren und wir hatten keine Hinweise, die eine Verschärfung nötig gemacht hätten", sagte Michaud.

Arbeitsminister Jason Kenney kondolierte über Twitter der "Familie des getöteten Soldaten" und erklärte, er bete für den verwundeten Wachmann am Parlamentsgebäude. "Kanada wird sich nicht terrorisieren oder einschüchtern lassen", erklärte Kenny.

Die Polizei sperrte das Viertel weiträumig ab und forderte alle Passanten auf, sich vom Parlamentshügel fernzuhalten. Das Gebiet in einem Park am Fluss Ottawa ist sonst frei zugänglich, Tausende Touristen lassen sich jeden Tag mit den Wachen fotografieren.

Alle Polizeiwachen schlossen ihren Besucherverkehr. Die Polizei forderte alle in der Innenstadt von Ottawa auf, sich nicht am Fenster zu zeigen oder auf Dächer zu gehen. Die US-Botschaft wurde abgeriegelt, die Mitarbeiter wurden aufgefordert, ihre Jalousien herunterzuziehen.

Das Denkmal für die Kriegstoten ist vom Parlamentspark nur durch eine Straße getrennt. Die Ehrenwache ist zwar bewaffnet, die Sturmgewehre dienen aber rein repräsentativen Zwecken. Unklar war, ob sie überhaupt geladen sind. Das Denkmal wurde 1939 für die Toten des Ersten Weltkrieges eingeweiht und dient inzwischen auch dem Gedenken der Opfer anderer Kriege.

CSU-Delegation vor Ort

Abgeordnete der CSU haben den bewaffneten Angriff auf das kanadische Parlament am Mittwoch vor Ort miterlebt. Zum Zeitpunkt der Attacke in Ottawa habe die Delegation gerade ihr Hotel neben dem Parlamentsgebäude verlassen, sagte Richard Teltschik von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung der Nachrichtenagentur AFP am Telefon. "Es kamen aus allen Straßen fast parallel Polizeiautos gefahren."

Die Delegation sei mit einem Kleinbus vom Hotel abgefahren. "Wir wussten gar nicht, was los war", sagte Teltschik. Erst kurze Zeit später seien die Eilmeldungen auf den Handys eingegangen. Die Schüsse habe die Delegation nicht gehört. Ein geplantes Mittagessen mit Abgeordneten des kanadischen Parlaments wurde abgesagt. Noch am Mittwoch sollte die Delegation planmäßig zurück nach Deutschland fliegen.

Die CSU-Politiker hielten sich im Rahmen eines deutsch-kanadischen Dialogprogramms der Hanns-Seidel-Stiftung in Ottawa auf. Der Delegation gehörten der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber, der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl und der CSU-Landtagsabgeordnete Otmar Bernhard an.

(REU/dpa/AFP)
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