"Welt"-Korrespondent Merkel nennt Yücels Haft in der Türkei "bitter und enttäuschend"

Berlin · Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Untersuchungshaft des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei verurteilt. Kritik übten auch Justizminister Maas, Amnesty und Reporter ohne Grenzen.

 Nach Solidaritätsaktionen für den inhaftierten Korrespondenten (Archiv-Foto) in Berlin sind weitere Proteste geplant.

Nach Solidaritätsaktionen für den inhaftierten Korrespondenten (Archiv-Foto) in Berlin sind weitere Proteste geplant.

Foto: dpa, wst

Als "bitter und enttäuschend" bezeichnete Angela Merkel die Behandlung des deutsch-türkischen Korrespondenten Deniz Yücel. "Diese Maßnahme ist unverhältnismäßig hart, zumal Deniz Yücel sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt hat", erklärte Merkel am Montagabend in Berlin.

Die Bundesregierung erwarte, "dass die türkische Justiz in ihrer Behandlung des Falles Yücel den hohen Wert der Pressefreiheit für jede demokratische Gesellschaft berücksichtigt", erklärte Merkel weiter. "Wir werden uns weiter nachdrücklich für eine faire und rechtsstaatliche Behandlung Deniz Yücels einsetzen und hoffen, dass er bald seine Freiheit zurückerlangt."

Bundesjustizminister: Vorgehen ist "völlig unverhältnismäßig"

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas kritisierte das Vorgehen der Türkei gegen den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel scharf. Der Umgang mit dem Journalisten sei "völlig unverhältnismäßig", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Kritische Berichterstattung ist fundamentaler Bestandteil demokratischer Willensbildung. Das Wegsperren von missliebigen Journalisten ist mit unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit unvereinbar."

Wenn sich die Türkei nicht an die europäischen Grundwerte halte, "wird eine Annäherung an die EU immer schwieriger bis unmöglich", sagte Maas. Mit Blick auf Auftritte türkischer Politiker in Deutschland fügte der Minister an: "Wer bei uns die Meinungsfreiheit in Anspruch nimmt, sollte auch selbst Rechtsstaat und Pressefreiheit gewährleisten."

"Inakzeptable Behandlung ein chronisches Problem"

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nannte den Haftbefehl gegen Deniz Yücel "inakzeptabel". Der Türkeiexperte Andrew Gardner sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es sieht nach einem weiteren Fall aus, in dem ein Journalist wegen kritischer Artikel und unter Anwendung der Terrorgesetze beschuldigt wird." Die "maßlose und missbräuchliche" Anwendung dieser Gesetze gegen Journalisten sei inzwischen ein "chronisches Problem in der Türkei". Viele der mehr als hundert Journalisten in Untersuchungshaft würden zudem schon seit Monaten ohne Anklage festgehalten.

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG) forderte die sofortige Freilassung von Deniz Yücel und allen anderen in der Türkei inhaftierten Journalisten. "Die Vorstellung ist unerträglich, dass ein Journalist monate- oder gar jahrelang in Untersuchungshaft einem ungewissen Schicksal entgegensehen muss, nur weil er seine Arbeit ernstgenommen hat.", erklärte RoG-Geschäftsführer Christian Mihr am späten Montagabend

Proteste in Köln und Bielefeld geplant

Die Initiative "Free Deniz" will am Dienstag in Köln und Bielefeld für die Freilassung des Journalisten demonstrieren. In Köln plant die Initiative einen Autokorso. Nach Angaben der Veranstalter sollen am Nachmittag 30 bis 50 Autos durch die Kölner Innenstadt fahren. Die Veranstalter wollen damit auch gegen die Verhaftung anderer Journalisten in der Türkei protestieren. In der Bielefelder Innenstadt will die Initiative eine einstündige Mahnwache abhalten. In vielen weiteren deutschen Städten gibt es am Dienstag Demonstrationen für Deniz Yücel und die Pressefreiheit in der Türkei.

(juju)
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