Frankreich Ausnahmezustand um drei Monate verlängert

Paris (rpo). Frankreich bleibt bis zum Februar im Ausnahmezustand. Das Parlament hat am Dienstagabend die Verlängerung des Ausnahmezustands um drei Monate beschlossen. Am 21. November, wenn die derzeitige Notstandsverordnung ausläuft, soll die neue Regelung in Kraft treten.

Straßenschlachten in Frankreich
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Foto: AFP

Der Entscheidung war eine heftige Debatte vorausgegangen. Schließlich stimmten 346 Abgeordnete dafür und 148 dagegen. Innenminister Nicolas Sarkozy von der konservativen Regierungspartei erklärte, die Verlängerung sei notwendig, um die seit mehr als zwei Wochen anhaltenden Ausschreitungen Jugendlicher in den Griff zu bekommen. Die Sozialisten betonten dagegen, dass die Unruhen langsam abebbten. Am (morgigen) Mittwoch muss nun noch der Senat über die Regierungsvorlage entscheiden.

Sarkozy rief in seiner Rede vor der Nationalversammlung die Nation zur Geschlossenheit auf. Frankreich sei mit einer äußerst komplexen Krise des städtischen Zusammenlebens konfrontiert. Seit Beginn der Unruhen am 27. Oktober seien 2.700 Personen festgenommen worden, teilte der Innenminister mit. Von diesen seien 75 bis 80 Prozent zuvor schon mehrfach wegen unterschiedlicher Delikte aufgefallen. Sarkozy hatte die Randalierer zu Beginn der Unruhen als "Gesindel" bezeichnet, was die Empörung in den Einwanderervierteln zusätzlich angeheizt hat.

Auch die Polizeiführung sprach sich nach der 19. Nacht der Unruhen für eine Verlängerung des Notstands aus. Diese ermächtigt die Behörden, Ausgeh- und Versammlungsverbote für einzelne Kommunen zu verhängen. Davon machten in den letzten Tagen etwa 40 Städte Gebrauch. Die vergangenen Nächte hätten gezeigt, dass der Notstand wirkungsvoll sei, sagte Polizeichef Michel Gaudin. Die Situation normalisiere sich allmählich.

In der Nacht zum Dienstag wurden nach seinen Angaben aber erneut 215 Autos in Brand gesetzt, davon 60 im Großraum Paris. In der Nacht zuvor waren es 284, auf dem Höhepunkt der Unruhen sogar 1.400 in einer Nacht. Seit Beginn der Unruhen am 27. Oktober sind im ganzen Land 8.810 Autos in Flammen aufgegangen. Glücklicherweise sei es in der Nacht zum Dienstag nicht mehr zu Angriffen auf Polizisten gekommen, sagte Gaudin. Insgesamt seien 42 Personen festgenommen worden.

Die meisten Zwischenfälle wurden erneut aus der Provinz gemeldet. Unbekannte schleuderten drei Molotow-Cocktails gegen eine Moschee im mittelfranzösischen Saint-Chamond. Sie richteten aber nur geringen Schaden an, wie die Polizei mitteilte. In Bourges brannte ein Vereinslokal.

Staatspräsident Jacques Chirac bezeichnete den Notstand am Montagabend in einer Fernsehansprache als "Schutz- und Vorsichtsmaßnahme". Als Konsequenz aus den Unruhen kündigte er die Einrichtung eines freiwilligen sozialen Dienstes an, der mit einer Ausbildung verbunden sein soll. So soll bis 2007 etwa 50.000 Jugendlichen eine Perspektive gegeben werden. Chirac räumte ein, die anhaltenden Ausschreitungen hätten Frankreich in eine Sinn- und Identitätskrise gestürzt.

(ap)
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