Interview nach der Tat Begleiter der vergewaltigten Inderin kritisiert Polizei

Neu Delhi/Berlin · Der Begleiter der vergewaltigten Inderin, der Zeuge des Verbrechens wurde und schwer verletzt überlebte, hat schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Dem indischen Nachrichtensender Zee News sagte er am Freitag, niemand habe geholfen, nachdem die Täter sie aus dem Bus geworfen hätten.

Indien: Die Angeklagten im Vergewaltigungsfall
Infos

Indien: Die Angeklagten im Vergewaltigungsfall

Infos
Foto: afp, PRAKASH SINGH

Nachdem die 23-Jährige und er nackt aus dem Bus geworfen wurden, sei ihnen niemand zur Hilfe gekommen, sagt der Mann. Das lag nicht daran, dass keiner sie bemerkte - im Gegenteil. Hilflos und blutend lagen die beiden an einer der meistbefahrenen Schnellstraßen der Hauptstadt. Tausende müssen an jenem kalten Sonntagabend vor drei Wochen an den Notleidenden vorbeigefahren sein.

"Autos, Autorikschas und Motorräder bremsten, aber rasten dann davon", erinnert sich der Begleiter der jungen Frau. "Ich winkte um Hilfe. Diejenigen, die anhielten, starrten uns an und diskutierten, was passiert sein könnte. Aber niemand unternahm etwas, wir warteten 20 bis 25 Minuten auf Hilfe."

Der Freund der 23-jährigen Medizinstudentin warf der Polizei vor, erst nach 45 Minuten eingetroffen zu sein. Statt sie schnell ins Krankenhaus zu bringen, hätten die Beamten zunächst diskutiert, welche Polizeiwache für das Verbrechen zuständig sei. "Sie hätten uns in diesen entscheidenden anderthalb Stunden ins Krankenhaus bringen und Kleider geben können", sagte der Freund. "Für einen sterbenden Mensch ist jede Minute entscheidend", fügte er hinzu.

In einem Interview sagte der junge Mann ferner, keiner sei ihnen zu Hilfe gekommen, als beide verletzt auf der Straße gelegen hätten. "Ein Passant hat uns gefunden, aber meiner Freundin nicht einmal seine Jacke gegeben", sagte er. Der Polizei warf der Mann vor, seine Freundin in eine Klinik gebracht zu haben, wo auf ihren mentalen Zustand keine Rücksicht genommen worden sei. "Mich haben sie wie eine Sache behandelt", sagte der Mann.

Polizei weist Vorwürfe zurück

Die Polizei wies die Vorwürfe zurück. Bereits sechs Minuten nach Eintreffen des Notrufs seien Beamte vor Ort gewesen, und die Einlieferung ins Krankenhaus sei nach 28 Minuten erfolgt, sagte ein Vertreter des zuständigen Reviers vor Journalisten.

Die 23 Jahre alte Studentin war am vergangenen Samstag an ihren Verletzungen gestorben. Inzwischen ist gegen die Täter in Neu Delhi Anklage erhoben worden. Dem Bericht zufolge sagte der Begleiter weiter, die Männer hätten das Verbrechen geplant und sie in den Bus gelockt. Beide hätten sich verzweifelt gewehrt. Das Handy, mit dem die Studentin die Polizei um Hilfe rufen wollte, sei ihr aus der Hand geschlagen worden.

Nachdem sie von den Tätern aus dem Bus geworfen worden seien, habe fast eine halbe Stunde lang niemand angehalten. Die Polizei schließlich habe Zeit damit verschwendet zu klären, welches Revier zuständig sei. Auch seien sie nicht in ein nahe gelegenes Hospital, sondern in eine weiter entfernte Klinik gebracht worden. "Sogar im Krankenhaus mussten wir warten und ich musste buchstäblich um Kleidung bitten", zitierte der Nachrichtensender den Begleiter.

Die 23-Jährige war von mehreren Männern in einem Bus in Neu Delhi vergewaltigt, mit einer Eisenstange misshandelt und nackt aus dem fahrenden Fahrzeug geworfen worden. Nach der Tat vom 16. Dezember hatte es landesweit massiver Proteste gegeben.

Ermittlungen gegen Fernsehsender

Unterdessen könnte ein Interview mit dem Freund der vergewaltigten indischen Studentin könnte den nationalen Fernsehsender Zee News teuer zu stehen kommen. Kurz nachdem das erschütternde Gespräch über das Martyrium der jungen Frau und das ihres Begleiters ausgestrahlt wurde, kündigte die Polizei am Samstag Ermittlungen gegen die Betreiber der TV-Station an. Zwar hielt sich der Sender an das Gebot, den Namen der beiden Opfer nicht zu nennen. Allerdings war während des Interviews das Gesicht des mit einem gebrochenen Bein im Rollstuhl sitzenden Mannes zu sehen.

In Indien verbietet das Gesetz in Vergewaltigungsfällen die Identifizierung von Betroffenen. Auf Verstöße stehen neben Geldstrafen bis zu zwei Jahre Haft. In dem Interview hatte der Freund der Verstorbenen sich erstmals öffentlich und in erschütternden Worten zu Details des grausamen Verbrechens geäußert.

(dpa/APD/csr/AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort