Attentäter von Paris Brahim Abdeslam - Cannabis, Alkohol und kaum Religion

Brüssel · Das Puzzle gewinnt an Klarheit: Immer mehr Details zu den Attentätern von Paris kommen ans Licht. Und zu einigen passt das Bild des radikal-gläubigen Terroristen nicht so recht.

 Die Bar "Les Béguines" in Brüssel.

Die Bar "Les Béguines" in Brüssel.

Foto: afp, ed/le

Eine Bekanntmachung an der Kneipentür: Geschlossen "aufgrund des Konsums verbotener halluzinogener Substanzen". Hier in der Bar "Les Béguines" im Brüsseler Problemviertel Molenbeek tranken auch der Selbstmordattentäter Brahim Abdeslam und sein verdächtigter Bruder Salah ihr Bier - zeitweilig war Brahim selbst sogar der Wirt. Weit davon entfernt, ein strenges islamisches Alkoholverbot einzuhalten, wollten die beiden Brüder auf diese Weise womöglich die Polizei täuschen.

Cannabis-Dünste waberten immer wieder aus der Kneipe, sodass im Sommer die Behörden einschritten. Die Polizei stieß auf "zahlreiche Aschenbecher, von denen einige teilweise aufgerauchte Joints enthielten", heißt es im Beschluss zur Schließung der Kneipe.

Seit jenem Schließungsbeschluss Anfang November war es still um die Brüder Abdeslam - bis zu den Anschlägen von Paris, bei denen am Freitag vergangener Woche in der französischen Hauptstadt 129 Menschen getötet wurden. Der 31 Jahre alte Brahim hatte sich bei einem der Anschläge in einem Café der französischen Hauptstadt in die Luft gesprengt. Nach seinem 26-jährigen Bruder Salah wird intensiv gefahndet.

Youssef, ein junger Mann mit nach hinten gedrehter Kappe auf dem Kopf, steht "noch unter Schock", wie er sagt. "Das sind Freunde", meint er. "Große Trinker, große Raucher, aber keine Radikalen."

Abdel, 34 Jahre alt, pflichtet Youssef bei. Bereits seit längerem sei in der Kneipe auch mit Rauschgift gehandelt worden. Brahim habe dies forciert. "Sofort wenn Du reinkamst, sprang er auf Dich zu, um Dir etwas zu verkaufen", behauptet Abdel.

Auch Karim zufolge waren für den späteren Attentäter zumindest nach außen andere Dinge wichtiger als die Religion. "Am Freitag, dem Tag des Gottesdienstes, ist er immer zum Rauchen auf der Terrasse geblieben. Ich habe ihn nie bei der Moschee gesehen."

"Wie gewöhnliche junge Leute"

Brahim und Salah hätten sich auch normal angezogen, wie ein Bekannter, der 27 Jahre alte Jamal, berichtet: "Kein langer Bart - eine Jeans und Turnschuhe." Überhaupt hätten sie wie gewöhnliche junge Leute gelebt: "Sie liebten den Fußball, gingen in die Disco, kamen mit Mädchen nach Hause."

Salah war früher bei Brüssels öffentlichem Nahverkehrsunternehmen angestellt. Anfang 2011 entließ ihn das Unternehmen wegen "längerer unentschuldigter Abwesenheit". Im Vorjahr hatte Salah tatsächlich einige Zeit im Gefängnis verbringen müssen, wegen eines Überfalls, in dessen Zusammenhang auch der Name von Abdelhamid Abaaoud fällt. Abaaoud war der Mann, der möglicherweise hinter den Pariser Anschlägen steckt und der laut Staatsanwaltschaft am Mittwoch bei einem Anti-Terror-Einsatz im Pariser Vorort Saint-Denis starb.

Täuschung und Tarnung?

Denkbar sei, dass Abaaoud den Häftling Brahim eine Strategie der Täuschung gelehrt habe, die auf Arabisch als "Takija" bekannt sei, vermutet Mathieu Guidère, ein französischer Terrorismus-Experte. Dieser Strategie zufolge dürfe ein angehender sogenannter Märtyrer beispielsweise "Haschisch konsumieren oder Gott lästern", um die Behörden zu täuschen, analysiert Guidère.

Bekannt ist, dass Brahim Anfang 2015 nach Syrien zu kommen versucht, aber an der türkischen Grenze aufgehalten wird. Bei seiner Rückkehr wird er mit Salah zusammen von der Polizei vernommen, nimmt anschließend aber sein normales Leben wieder auf - so schien es zumindest bis vergangenen Freitag.

Getäuscht haben könnte Brahim dabei sogar den dritten Bruder, Mohamed, einen Gemeindeangestellten. Dieser zeigte am Mittwoch offenbar seine Solidarität mit den Opfern der Anschläge. Während einer Demonstration in Molenbeek zu deren Gedenken zündete er auf dem Balkon des Hauses der Familie mehrere Kerzen an. Dass sein Bruder Brahim an den Anschlägen beteiligt war, kann Mohamed Abdeslam nach eigener Aussage nicht fassen: Er war "ein ganz normaler Junge", sagt er über seinen Bruder, den Attentäter.

(AFP)
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