Demos und Blockaden Castor-Transport rollt weiter nach Deutschland

Valognes (RPO). Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat der Castor-Transport mit hoch radioaktivem Atommüll in der Nacht zum Samstag seine Fahrt in Richtung deutscher Grenze fortgesetzt. Nach einer dreistündigen Blockade durch Atomkraftgegner bei Caen im Norden Frankreichs änderte der Konvoi mit elf Atommüll-Behältern seine Route ab, wie das französische Netzwerk für Atomausstieg "Sortir du Nucléaire" mitteilte.

Damit sei ein Teil der Verspätung wieder eingeholt worden. Vor allem habe der französische Atomkonzern Areva, der die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague betreibt, etwaige andere Aktionen verhindern wollen.

Den Angaben der Atomkraftgegner zufolge rollte der Castor am frühen Samstag morgen weiter in Richtung Osten. Gegen 07.30 Uhr verließ er, begleitet von einem Hubschrauber, die lothringische Ortschaft Bar-le-Duc. Wo der Zug die Grenze passieren sollten, war am Morgen noch unklar. Nach Informationen des Netzwerks "Sortir du Nucléaire" ist es wahrscheinlich, dass der Castor-Transport wie in den Vorjahren bei Lauterbourg im Nordelsass über die Grenze fährt. Dort dürfte er am frühen Nachmittag eintreffen.

Weitere Blockaden erwartet

Auf der deutschen Seite der Grenze wurde die Zugstrecke weiträumig mit Stacheldraht gesichert, wie ein Sprecher der Gruppe "Castor-Südblockade" mitteilte. In dem rheinland-pfälzischen Dörfchen Berg, das knapp drei Kilometer von Lauterbourg entfernt ist, ist am Samstagvormittag eine Kundgebung geplant. "Castor-Südblockade" rief außerdem zu Blockadeaktionen auf. Angesichts der starken Polizeipräsenz und der Absperrungen werde es schwierig werden, bis an die Gleise zu kommen, sagte ein Sprecher der Gruppe.

Der Castor war am Freitag vom Verladebahnhof Valognes in Nordfrankreich zum deutschen Zwischenlager Gorleben gestartet, wo er am Sonntag erwartet wird. Er transportiert Atommüll, der in der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague aufbereitet wurde. Der Zug sollte nach ursprünglicher Planung am Samstagmittag die deutsche Grenze erreichen und dann nach Norden in Richtung Gorleben rollen.

Der niedersächsische Verfassungsschutz warnte vor einer großen Zahl von Demonstranten, die vor Straftaten nicht zurückschrecken. "Wir gehen davon aus, dass einige hundert gewaltbereite Autonome die Castor-Proteste für ihre Zwecke missbrauchen wollen", sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Werner Wargel der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag. Erwartet würden etwa doppelt so viele Linksradikale wie beim Transport 2008. Dieser harte Kern der Linksextremisten sei aber nur eines der Probleme. "Hinzu kommen weitere, zum Teil linksextremistische Gruppen, die offensichtlich eine hohe Bereitschaft zu Straftaten haben", erklärte Wargel. Dies bedeute für die Sicherheitskräfte "eine deutlich brisantere Mischung als bei vergangenen Transporten".

Transport verursacht enorme Kosten

Der Castor-Einsatz könnte den Steuerzahler nach Schätzung der Deutschen Polizeigewerkschaft bis zu 50 Millionen Euro kosten. Gewerkschaftschef Rainer Wendt forderte deshalb eine entsprechende "Schutzgebühr" der Atomkonzerne. Das Land Niedersachsen will zumindest seine direkten Kosten von geschätzten 25 Millionen Euro von Bund und Ländern erstattet haben. Beides scheint jedoch chancenlos: Der Bund wies die Forderungen zurück. Und die Atomindustrie sieht sich ebenfalls nicht in der Pflicht.

Die Bundespolizei bat die Demonstranten um Mäßigung. Deutschlands oberster Bundespolizist, Matthias Seeger, erklärte, er setze darauf, dass überwiegend "bunt und friedlich" protestiert werde. Auch unter den Polizisten seien viele, "die der Atomkraft skeptisch gegenüberstehen".

Doch auch Gewalt gegen Sachen sei unerlaubt: "Wer Steine von Gleisanlagen abträgt und das Gleisbett unterhöhlt, um Züge zu stoppen, der macht sich wegen des Störens öffentlicher Betriebe strafbar. Gegen Sabotage und alle anderen Formen von Gewalt werden unsere Beamten konsequent vorgehen."

Trotz dieser Warnung hält die Kampagne "Castor Schottern" an ihren Sabotageaktionen fest. Sie wollen sich am Sonntag an verschiedenen Punkten nahe der Bahnstrecke sammeln und von dort - aufgeteilt in kleine Gruppen - zu den Gleisen wandern, erläuterten mehrere Sprecher der Kampagne. Dort wolle man möglichst auf langen Gleisabschnitte den Schotter ausräumen. Zu der Sabotage an den Gleisen haben sich im Internet bereits mehr als 1700 Personen und Organisationen bekannt.

Röttgen verteidigt Transport

Norbert Röttgen (CDU) hat den Transport als unverzichtbar bezeichnet. "Wir können die Lasten der Vergangenheit nicht anderen aufbürden, für die sichere Lagerung des Atommülls sind wir verantwortlich", erklärte der Minister am Freitag in Berlin.

Gleizeitig appellierte der Bundesumweltminister an die Besonnenheit und Friedfertigkeit der Atomkraftgegner, die zu Tausenden zu Kundgebungen und Blockaden im Wendland erwartet werden. Das Recht auf Demonstrationsfreiheit rechtfertige es nicht, "sich selbst oder das Leben anderer Menschen zu gefährden". SPD und Grünen warf er vor, die Demonstrationen gegen den Castor-Transport für Proteste gegen die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung zu nutzen, obwohl sie selbst in ihrer Regierungszeit Transporte genehmigt hätten. Das sei "unredlich", erklärte Röttgen.

Greenpeace übt scharfe Kritik

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte den Transport hingegen scharf. "Jeder einzelne dieser Castoren enthält so viel radioaktives Material, wie bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde", erklärte Thomas Breuer, Bereichsleiter für Klima- und Energiepolitik von Greenpeace Deutschland in La Hague. Es sei unverantwortlich, die "tödliche Fracht" nach Gorleben zu bringen.

(dapd/csf/fb)
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